Feldpostbriefe: Brief des US-Soldaten Roy F. Bergengren Jr. über die Sinnlosigkeit des Krieges (Veröffentlicht am 18.02.2025)
Roy F. Bergengren Jr. war Hauptmann in der 87. US-Jagdstaffel des Zweiten Luftverteidigungsgeschwaders und war mehr als zweieinhalb Jahre in Afrika, England, Frankreich, Deutschland, Italien und Sizilien im Einsatz. In einem Brief an einen Freund zu Hause beschrieb er einige der Eindrücke, die der Krieg auf ihn gemacht hatte und seine Gedanken über die Menschheit selbst, und hoffte leidenschaftlich, dass seine Generation und die kommenden Generationen aus den Jahren des Gemetzels und der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg lernen würden (Quelle: Carroll, “War Letters – Extraordinary Correspondence from American Wars”, S. 154 f. [Übersetzung aus der englischen Sprache]):
“Lieber Don,
nachdem ich vor einiger Zeit in Deutschland angekommen bin, fühle ich mich ungefähr so, wie ein Marathonläufer von Küste zu Küste, wenn er die Staatsgrenze von New York überquert.
In 28 Monaten bin ich durch 11 Länder gereist, um hierher zu gelangen. Es war eine ziemlich runde Sache, aber es gab nie einen Zweifel daran, wohin die Reise geht. Ich hoffe, ich werde bis nach Berlin reisen – und dann nach Hause.
Bis jetzt war es eine interessante, wenn auch unangenehme Erfahrung. Ich hätte sicherlich gut darauf verzichten können, aber da es notwendig war, bin ich froh, dass ich zu denen gehöre, die daran teilhaben.
Es gab ein paar herausragende Eindrücke. Auch wenn sie offensichtlich sind, so sind sie doch sehr lebendig.
Erstens: die absolute Sinnlosigkeit des Krieges. Aus der Nähe betrachtet ist er so brutal und dumm, dass wir uns die Augen reiben müssen, um zu glauben, dass die Welt zu so etwas fähig ist. Das kann man nicht schreiben; man muss den Tod, das Elend und die Zerstörung im Gefolge des Krieges sehen, um sie zu verstehen.
In einem Café in Lyon fragte mich ein französischer Journalist: ‚Warum weigert ihr Amerikaner Euch zu glauben, dass die Deutschen in Frankreich wirklich so viele unschuldige Menschen gefoltert und getötet haben?‘
Darauf konnte ich nicht antworten. Ich vermute, es liegt daran, dass wir so weit weg von solchen Dingen leben und wir es sehen müssen, um es zu glauben. Worte können solche Dinge nicht beschreiben.
Ein zweiter Eindruck ist die grundlegende Ähnlichkeit der Völker der vereinten Nationen. Ich habe mit britischen, französischen, australischen, südafrikanischen, neuseeländischen, polnischen und belgischen Soldaten gelebt und gearbeitet, um nur einige zu nennen. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle nach der gleichen Art von Leben streben. Wir kritisieren uns gegenseitig für unsere kleinen individuellen Exzentrizitäten; jeder von uns hält seine Nation für die beste, aber im Grunde unterscheiden wir uns kaum. Wenn dieser Krieg gewonnen ist, müssen wir uns nur auf das Wesentliche besinnen und uns in großem Stil zusammenfinden.
Ein dritter Eindruck ist der von Amerikas eigenen Fähigkeiten. London, Algier, Paris, Rom, Florenz, Marseille und jede andere Stadt und jeder Ort in jedem befreiten Land wimmelt von amerikanischem Verkehr. Riesige Depots mit amerikanischen Vorräten, Scharen von amerikanischen Männern überall. Wenn wir nur die Hälfte der Anstrengungen für den Frieden aufbringen können, die wir in diesem Krieg unternommen haben, weil er notwendig war, sollte es nie wieder einen Krieg geben müssen. Wir müssen begreifen, dass der Frieden jetzt genauso notwendig ist wie der Krieg es war.
Ich wohne jetzt in einem halbzerstörten Bergarbeiterhaus. Es liegt Schnee und es ist kalt, zusätzlich zu anderen kleinen, beunruhigenden Dingen. Mir und Millionen anderer Menschen geht es im Moment nicht gut, aber wir sind bereit, so zu leben, weil wir darauf vertrauen, dass die Völker der Welt dieses Mal den Frieden besser gestalten werden.
Ich habe mich sehr über Dein Weihnachtspaket gefreut, das vor meiner Abreise aus Italien eintraf – die verschiedenen Seiten des ‚Künstlerischen Skizzenbuchs‘ schmücken nun fröhlich die Wände dieser Hütte und tragen wesentlich zu ihrer Wohnlichkeit bei. Wenn ich ausziehe, werden sie mit mir gehen. Es sind ziemlich reiselustige kleine Schönheiten.
Ich habe lange geschwafelt und muss jetzt ein wenig schlafen. Die Lehren, die wir aus dem Krieg ziehen können, sind so einfach und so offensichtlich, dass sie einfach ausgesprochen werden müssen. Diesmal, verdammt noch mal, müssen wir sie uns merken.
Herzliche Grüße an die Bande,
Roy”
(Titelfoto: US Soldatenfriedhof in Hamm/Luxemburg,
September 2024)
Meine Arbeit können Sie hier unterstützen, vielen Dank!