Gedanken zum Krieg: „Die Not des Waldes“ von Walther Freist (Veröffentlicht am 11.04.2025)
Der Forstmeister Walther Freist (*27.08.1901, +10.08.1963), der 1931 das braunschweigische Forstamt Walkenried im Südharz übernommen hatte, schrieb während seiner Kriegsgefangenschaft mehrere Gedichte, die seine Witwe Elisabeth im Jahr 1978 in einem Büchlein im Selbstverlag veröffentlichte. Ein Thema dieser lesenswerten Gedichte ist der Wald, seine Bedeutung für das Leben der Menschen und die Sorge um die Auswirkungen ihrer mangelnden Wertschätzung für ihn.
In dem Büchlein „Gedichte geschrieben in Gefangenschaft“ (1978), S. 17 f., wird sein folgendes, im September 1946 verfasstes Gedicht wiedergegeben:
„Die Not des Waldes !
Durch die Stille der lichtlosen Nacht,
klingt ein leises, ganz leises Rauschen.
Der Nachtwind hat es mir zugebracht.
Still lieg’ ich, muss immerzu lauschen.
Eine Eiche mit ruppig, zerzausten Zweigen,
einiger Föhren sperrig’ Geäst,
eine einzelne Birke vollendet den Reigen;
sie bilden zusammen den trostlosen Rest,
den Rest eines Waldes, der einst hier stand.
Und weißt Du, was das will besagen?
Zur Steppe, zum Flugsand wird wieder das Land,
weil der Mensch den Wald hat zerschlagen.
W a l d ! Du Lebensgemeinschaft von Pflanze und Tier,
du bist der Schöpfung vollendete Zier,
die in dir uns entschleiert ihr Walten:
ihr Zerstören und Wiedergestalten!
Denn aus diesem ‚Stirb und Werde‘
bauet sich auf des Waldes Pracht.
Als köstlicher Teppich bedeckt er die Erde,
zum Nutzen, zur Schönheit gleich sinnvoll gemacht.
Das Leben ist Kampf zwar um Wärme und Licht,
doch aus Totem soll Neues ergrünen!
Und so gilt im ewigen Kreislauf die Pflicht:
harmonisch dem Ganzen zu dienen.
Nur der Mensch, obwohl Verstand ihm gegeben,
missachtet dieses göttlich’ Gebot.
Aus schnöder Gewinnsucht zerstört er das Leben,
und wo er hingeht, geht mit ihm der Tod.
Da verkarstet der Berg, die Quelle versiegt.
Es verarmt die vordem so reiche Natur.
Und ist der Wald erst vernichtet,
dem Flugsand erliegt – im gerechten Ausgleich – der Menschheit Kultur.
Verwüstete Landschaft – verwüstete Herzen,
Entwurzelte Bäume – entwurzelt’ Geschlecht.
Statt Frohsinn und Freude – Vernichtung und Schmerzen.
Hass und Verleumdung – statt Liebe und Recht.
O, erkenne doch Mensch, welche Fülle von Glück
wieviel Freude und Trost auf Dich selbst strömt zurück,
sobald Du mit Liebe den Wald umhegst,
für den Du vor Gott die Verantwortung trägst!
Durch die Stille der lichtlosen Nacht,
klingt der Bäume ganz leises Rauschen.
Der Nachtwind hat es mir zugebracht.
Still lieg’ ich, muss immerzu lauschen.“
Diese Gedanken von Walther Freist zum Verhältnis des Menschen zum Wald mag man mit Blick auf den durch die schweren Kämpfe im Herbst und Winter 1944/45 bis zur Unkenntlichkeit geschundenen Hürtgenwald lesen, sie haben aber auch darüber hinaus eine fast universelle Bedeutung.
(Titelfoto: Bemooste Bäume auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg,
Februar 2025)
Meine Arbeit können Sie hier unterstützen, vielen Dank!