„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge NRW zur Entfernung der Informationstafel zu Julius Erasmus vom Soldatenfriedhof Vossenack im Jahr 2021 (Veröffentlicht am 17.06.2022, aktualisiert am 21.06.2022)

Im vergangenen Herbst war hier in einem Post bereits darüber berichtet worden, dass im Juni 2021 die zuvor im Eingangsbereich des Soldatenfriedhofs Vossenack befindliche Informationstafel zu Julius Erasmus unvermittelt verschwunden war.

 

 

Seither unternimmt der Kreis Düren unter Landrat Spelthahn abstruseste Verrenkungen, um keine näheren Angaben zu der Entfernung der Tafel machen zu müssen. So beharrt man darauf, man kenne das genaue Datum der Entfernung „nicht (mehr)“. Die Veranlassung der Entfernung und das Datum ihrer Durchführung sei an keiner Stelle der Verwaltung des Kreises Düren, insbesondere nicht bei der zuständigen Abteilung „Zentrales Gebäudemanagement“ und auch nicht beim zuständigen Friedhofswärter dokumentiert worden, der die Entfernung vorgenommen haben dürfte. Ob sich diese Aussagen letztlich als haltbar erweisen, wird sich zeigen.

Thema dieses Artikels soll die Handhabung der Angelegenheit durch den in Essen ansässigen Landesverband Nordrhein-Westfallen des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. („Volksbund NRW“) sein. Seit Beginn meiner Recherchen zu Julius Erasmus hatte ich wiederholt Kontakt mit diesem Landesverband und seinem Geschäftsführer Stefan Schmidt, mehrfach auch persönlich vor Ort. Die Erfahrungen, die ich im Zuge meiner Recherchen bislang mit dem Volksbund gemacht habe, verdienen eine eigene Betrachtung. Es mag hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass mir seitens des Volksbund wiederholt signalisiert wurde, meinen Recherchen mit Skepsis zu begegnen. Es fiel dabei die Aussage, man betrachte dies als „Heldengedenken“, von dem man nicht viel halte.

 

1. Rückblende: Die erste Anfrage an den Landesverband NRW des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Sommer 2021

Eine erste Anfrage im Juli 2021 an den Geschäftsführer des Volksbund NRW, Stefan Schmidt, nach dem Verbleib der Informationstafel hatte wenig ergiebige Resultate produziert. Es wurde im wesentlichen mitgeteilt, die Entfernung der Tafel sei „bereits vor längerer Zeit beschlossen worden“, man habe sie „als überflüssig erachtet“. Nähere Angaben dazu, wer dies wann beschlossen habe, wollte Herr Schmidt nicht machen. Der Kreis Düren hatte jedoch erklärt, die Entfernung der Tafel sei „in Absprache mit der Landesgeschäftsstelle des Volksbundes NRW“ erfolgt.

 

2. Erneute Anfrage an den Landesverband NRW des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Dezember 2021

Ich nahm daher am 17.12.2021 Kontakt mit dem Landesvorsitzenden und Leiter der Landesgeschäftsstelle des Landesverbandes NRW auf, Thomas Kutschaty. Wer diese Personalie mit Erstaunen zur Kenntnis nimmt, dem sei gesagt, dass es sich in der Tat um den SPD-Politiker Kutschaty handelt. Welchen Bezug dieser zu Kriegsgräbern hat und was ihn für die Funktion als Vorsitzenden des Landesverbandes des Volksbund qualifiziert, sind zweifelsohne legitime Fragen, die hier jedoch ebenfalls nicht thematisiert werden sollen.

In meinem Schreiben hatte ich Herrn Kutschaty um Beantwortung folgender Fragen gebeten:

(1) Wann wurde die Entfernung der Informationstafel beschlossen und durch wen?

(2) Welche Absprache(n) hat der Landesverband NRW hinsichtlich der Entfernung der Informationstafel mit dem Kreis Düren getroffen und wann erfolgte dies (jeweils)?

 

3. Die Antwort des Landesverbandes NRW des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. im Februar 2022

Herr Kutschaty schickte für die Beantwortung wiederum Landesgeschäftsführer Schmidt vor, der Anfang Februar 2022, rund zwei Monate nach meiner Anfrage, ein Schreiben zur Entfernung der Informationstafel übermittelte. Es verwundert nicht, dass die gestellten Fragen einmal mehr nicht beantwortet wurden.

Herr Schmidt betonte zunächst, dass der Volksbund im wesentlichen nur für die deutschen Kriegsgräber im Ausland zuständig sei, während die im Inland befindlichen, wie die auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack, der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden unterfielen. Diesen Automatismus des Volksbund kann man wieder und wieder beobachten. Im Kern will man wohl vermitteln, nicht verantwortlich, weil nicht zuständig zu sein. Man würde sich wünschen, dass der Volksbund auch in seinen Spendenaufrufen auf seine auf im Ausland befindliche Kriegsgräber beschränkte Zuständigkeit hinweist. Hier ist mir ein solcher Hinweis noch nie aufgefallen, woran liegt das wohl?

 

a) Von der „Legendentafel“ zur Würdigung des „alten Pionier-Hauptmanns Erasmus“ zur „Informationstafel über den Soldatenfriedhof“

Man räumt ein, dass die Informationstafel im Jahr 2005 im Rahmen des Projekts „Legendentafel“ durch den Kreis Düren auf Anregung des Volksbund NRW errichtet worden sei und erklärt die angebliche Natur der Tafel – in erstaunlicher Übereinstimmung mit dem Kreis Düren – wie folgt:

„Bei dieser Tafel handelte es sich um eine Informationstafel über die Kriegsgräberstätte Vossenack, jedoch nicht, wie von Ihnen bezeichnet, um eine Informationstafel über Julius Erasmus.“

 

Landrat Spelthahn hatte zuvor erläutert, weshalb es sich nicht um eine „Erinnerungstafel an Julius Erasmus“ handle, „sondern allgemein um eine Informationstafel über die Kriegsgräberstätte Vossenack“.

Wenn Herrn Spelthahn die Historie der Tafel unbekannt wäre, würde dies jedenfalls hier nach allen bisherigen Erfahrungen mit ihm und seiner Administration nicht überraschen. Allerdings sollte Herr Schmidt als Landesgeschäftsführer des Volksbund NRW es besser wissen, hierfür müsste er nur in seine eigenen Akten sehen. Diesen lässt sich unschwer entnehmen, dass die ursprünglich in der Tat vorrangig zur Information über den Soldatenfriedhof gedachte Tafel offenbar im Jahr 2002 im Rahmen des „Projekts Legendentafel“ überarbeitet und gezielt mit einem Abschnitt zu Julius Erasmus und seiner Tätigkeit ergänzt wurde. Dies erfolgte nach Aussage des damals Verantwortlichen beim Volksbund NRW ausdrücklich in der Absicht, „den alten Pionierhauptmann“ und seine Leistung zu würdigen und „unvergessen zu machen“. In einem Schreiben vom 20.01.2003 heißt es beispielsweise:

„es gibt eine Vielzahl von Kriegsgräberstätten im In- und Ausland, deren Geschichte untrennbar verbunden ist mit dem unermüdlichen Engagement einzelner Menschen; (…)

Diese Menschen und ihre verdienstvolle Arbeit sind nicht vergessen; sie werden in den Informationen zu den jeweiligen Kriegsgräberstätten gewürdigt. In NRW geschah und geschieht dies vor allem im ‚Projekt Legendentafel‘. So habe ich bei der Neugestaltung des Textes für Vossenack selbstverständlich den alten Pionierhauptmann Erasmus mit seiner Leistung herausgehoben und damit unvergessen machen wollen.

Vor diesem Hintergrund halten wir eine Gedenktafel für Erasmus, die irgendwo auf dem Friedhof – ohne Grabbezug – einen Platz finden würde, für entbehrlich. Die Besucher in Vossenack lesen den Text der Informationstafel und werden aufmerksam gemacht. Dies erscheint uns als Würdigung wirkungsvoller.“

 

Die Akte liegt hier vor, der ausdrückliche Wunsch zur Ehrung von Julius Erasmus von Seiten des damaligen Verantwortlichen beim Volksbund NRW wird an mehreren Stellen geäußert. Dass es gegen dieses Ansinnen Widerspruch gegeben hätte, ist zumindest dieser Akte nicht zu nehmen.

Nun mag man hierüber beim Volksbund NRW heute anders denken, dies kommt vor. Indes so zu tun, als habe man mit der besagten Tafel zu keinem Zeitpunkt je an Julius Erasmus und sein Tun erinnern wollen, ist unredlich und wirft kein gutes Licht auf den Volksbund NRW. In bester geschichtsklitternder Manier kann offenbar auch in der dokumentierten eigenen Historie nicht sein, was (heute) nicht sein darf. Darüber, ob dies für eine Institution, die mit der Betreuung historisch bedeutender Orte wie Soldatenfriedhöfen betraut ist, gute Voraussetzungen sind, darf man geteilter Meinung sein.

 

b) Die Informationstafel zu Julius Erasmus als „entbehrliche Informationsduplikation“?

In seinem Schreiben verweist Herr Schmidt weiter – auch insoweit wieder eng an die vorherigen Ausführungen des Kreises Düren angelehnt – auf die die im Jahr 2015 neu errichteten Tafeln. Auf zweien derselben werde Julius Erasmus gewürdigt, die „ältere“ Tafel sei daher entbehrlich. Er meint:

„Um Informationsduplikationen und die auf der älteren Tafel verwendete Bezeichnung ‚Ehrenfriedhof‘ zu vermeiden, hat der Kreis Düren vor einiger Zeit diese ältere Tafel am Friedhofstor entfernt. Dies geschah verspätet und hätte bereits im Zuge der Erstellung der neuen Tafel erfolgen sollen.

Es handelt sich bei diesem Vorgang insgesamt um die Aktualisierung eines Informationsmediums. Sie ist Ergebnis eines Diskussionsprozesses rund um die ‚Windhund-Gedenkstätte‘, in den neben dem Kreis Düren, der Gemeinde Hürtgenwald und dem Volksbund zahlreiche lokale ansässige Vereine, Gruppen und Akteure eingebunden waren (und sind). Gemäß der Verwaltungsvorschrift zum Gräbergesetz ist der Volksbund vom Träger des Friedhofs hierzu gehört worden und hat seine Zustimmung erteilt.“

 

Dass die besagten „neuen Tafeln“ das Tun von Julius Erasmus allenfalls beiläufig, sehr oberflächlich und nach hiesigen Erkenntnissen faktisch falsch thematisieren, so dass die angebliche „Informationsduplikation“ schon nicht vorliegt, wurde schon an anderer Stelle erwähnt.

 

 

Auch scheint die Gemeinde Hürtgenwald zumindest in die Entfernung der Informationstafel nicht eingebunden gewesen zu sein – jedenfalls hatte sie  auf die entsprechende Anfrage von Anfang Juli 2021 schriftlich erklärt, ihr lägen hierzu keine Informationen vor.

 

4. Bewertung

Dass der Volksbund NRW für die Beantwortung von zwei einfachen Fragen rund zwei Monate benötigte (und gleichwohl scheiterte), dürfte auch auf eine enge Abstimmung mit den Protagonisten beim Kreis Düren zurückzuführen sein, um die zuvor in den jeweiligen Äußerungen noch zu beobachtenden Diskrepanzen nunmehr zu vermeiden.

Es bleibt dabei, dass der Vorgang zum Himmel stinkt. Wenn man die Entfernung der Informationstafel wirklich für unproblematisch und legitim hält, fragt es sich, warum der Kreis Düren diese heimlich, still und leise durchgeführt hat und bis zum heutigen Tage krampfhaft an der geradezu lächerlichen Behauptung festhält, man kenne das genaue Datum der Entfernung „nicht (mehr)“. Man darf daran erinnern, dass Landrat Spelthahn auf die Frage

„Wann wurde die Öffentlichkeit über die Entfernung informiert? Falls nicht: Warum nicht?“

mitteilte

„Eine Information über die Entfernung ist nicht erfolgt; hierzu bestand weder eine Verpflichtung noch eine Notwendigkeit.“

 

Derartige Transparenzdefizite sind oftmals ein untrügliches Zeichen für rechtlich fragwürdige Aktivitäten. Man kann sich des unguten Gefühls nicht erwehren, dass der Kreis Düren und der Volksbund NRW im Hinblick auf das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und seine Opfer nichts Gutes im Schilde führen.

 

Diese Aktivitäten werden auch weiterhin mit Interesse verfolgt und umfassend dokumentiert werden.

 

(Titelfoto: Soldatenfriedhof Vossenack, Sommer 2021)

 

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