Der Kampf um die Bunker des Westwalls im Bereich Hürtgenwald (Veröffentlicht am 12.08.2022, ergänzt am 12.11.2022)
Ein charakteristisches Merkmal der Kämpfe im Hürtgenwald und ihrer besonderen Härte ist der dort verlaufende Westwall und seine mitunter in dichtem Wald verborgenen, durch den Bewuchs hervorragend getarnten Bauwerke – vor allem Bunker und Unterständen verschiedener Größen –, um die zwischen den deutschen und amerikanischen Truppen zum Teil in über Monate hin- und herwogenden Kämpfen ebenso verbissen wie opferreich gekämpft wurde.
Nach dem Krieg war es vielfach Julius Erasmus, der die deutschen Opfer der Bunkerkämpfe im und um den Hürtgenwald barg, sie identifizierte und bestattete. Einige dieser Kämpfe sollen auf dieser Website im Rahmen einer Serie unter dem Titel „Bunkerkämpfe“ näher beschrieben werden, nicht zuletzt um daran zu erinnern, was Krieg für alle Beteiligten bedeutet.
Zum besseren Verständnis und als Hintergrund der folgenden Serienteile soll hier zunächst kurz die Situation geschildert werden, in der sich die Angreifer und Verteidiger des Westwalls im Herbst 1944 befanden.
I. Der Westwall
Der Westwall, auch als Siegfried Linie („Siegfried Line“) bekannt, war ein militärisches Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches, das sich über rund 630 Km vom Niederrhein bis an die Schweizer Grenze erstreckte. Es wurde in mehreren Bauabschnitten zwischen 1936 und 1940 errichtet und bestand aus rund 20.000 Bauwerken, insbesondere aus Bunkern und Unterständen verschiedener Größen und Funktionen, sowie Panzersperren, z. B. der sog. „Höckerlinie“, Gräben oder Mauern. Für nähere Einzelheiten des sehr komplexen Themas sei auf die entsprechende Literatur verwiesen (z. B. auf Bettinger/Büren, Der Westwall (1990) oder Groß, Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel (1982)).
II. Der Zustand des Westwalls im Herbst 1944
Den deutschen Soldaten in der Vorkriegspropaganda noch als „schützendes und unüberwindbares Bollwerk an der Westgrenze des Reiches“ vermittelt, war der Westwall im Herbst 1944, als der Krieg im Westen das Reichsgebiet erreichte, vielfach nur noch ein Schatten seiner selbst. Teilnehmer der damaligen Kämpfe haben die von Ihnen seinerzeit vorgefundene Situation im Detail beschrieben (vgl. zum Zustand des Westwalls in der Südeifel näher Weidinger, Kameraden bis zum Ende, 4. Aufl. (1999), S. 321 ff. und Kramer, Der Krieg in der Schneifel September 1944 (1996), S. 538). Nach den deutschen Anfangserfolgen des Krieges wurde die Ausstattung der Bauwerke oftmals entfernt und weiter nach Westen an den Atlantikwall verlegt. Die Räume sind feucht, Eisenteile angerostet, Fernsprechverbindungen – sofern noch vorhanden – sind nicht geschaltet. Munition, Trinkwasser, Verpflegung und Verbandsmaterial fehlen. Minenfelder, Drahthindernisse und oftmals selbst Türen sind entfernt worden, die Schussfelder vor den Bunkern sind zugewachsen. Viele Bunker sind zwischenzeitlich zweckentfremdet worden und werden z. B. als Lagerräume oder Vorratskeller verwendet. Ihre Konstruktion war zudem spezifisch auf die bei Kriegsbeginn vorhandene Waffentechnik ausgelegt, nachfolgende Neu- und Weiterentwicklungen wie das MG 42 oder die Pak 7,5 passten aufgrund ihrer abweichenden Abmessungen nicht mehr in die Armierungen der jeweiligen Bunker und konnten daher nur außerhalb derselben benutzt werden.
Die in den Westwall einrückenden deutschen Truppen waren durch die Kämpfe in der Normandie erheblich dezimiert worden und hatten regelmäßig nur noch einen Bruchteil ihrer Sollstärke, so dass in vielen Abschnitten überhaupt nur jeder dritte bis vierte Bunker besetzt werden konnte (vgl. Kramer, a.a.O., S. 204). Die von der Propaganda unverändert genährten Vorstellungen der deutschen Soldaten von dem unüberwindbaren Westwall trafen im September 1944 auf die harte Realität. Trotz aller Enttäuschung über den Zustand der Verteidigungslinie gaben die Betonbauten ihnen dennoch ein Gefühl von Schutz und Sicherheit (vgl. Kramer, a.a.O., S. 536).
III. Die Nutzung der Bunker durch die deutschen Truppen
Neben den baulichen und ausstattungsmäßigen Defiziten der Westwallbauwerke waren die deutschen Truppen mit deren taktischer Nutzung bei Beginn der Kämpfe im Herbst 1944 nicht hinreichend vertraut. Sie verstanden die Bunker zumindest anfänglich oftmals als geschützte Stellungen, in die man sich bei einem Angriff zurückzieht, um den Kampf aus ihrem vermeintlich sicheren Inneren zu führen. Angedacht war jedoch ein gänzlich anderes Verhalten, über das die hastig in den Westwall einrückenden deutschen Truppen, vielfach Reserven ohne oder mit geringer militärischer Vorbildung, jedoch nicht belehrt wurden (vgl. Kramer, a.a.O., S. 536 f.):
„Niemand sagt diesen Truppen, wie sie den Westwall zu verteidigen hätten. Niemand sagt ihnen, dass die Bunker, auch die Kampfbunker, zunächst und in erster Linie als Schutzräume gedacht sind bei Artillerie-Beschuss und Bomben-Abwurf. Wenn der Panzer- und Infanterie-Angriff beginnt, muss die Besatzung den Bunker schnellstmöglich verlassen, um den Abwehrkampf aus den Feldstellungen heraus zu führen. So allein kommen alle vorhandenen Waffen zum Tragen. Nur das fest in der Scharte eingebaute MG schießt aus dem Bunker. Während des Kampfes ist also der Bunker Rückhalt der Abwehr. Dorthin können die Verwundeten gebracht werden, dort liegt Reservemunition, dort lagert Verpflegung und Wasser.“
Das in der Anfangszeit der Kämpfe eher defensive Verhalten der deutschen Soldaten begünstigte die Bekämpfung der Bunker durch die US-Truppen und kostete viele deutsche Soldaten das Leben (vgl. Kramer, a.a.O., S. 537). Schnell wird auf deutscher Seite erkannt, dass es unmöglich ist, sich innerhalb der Bunker gegen die von US-Seite eingesetzten Angriffsmethoden und -mittel wirkungsvoll zu verteidigen und es wird den Soldaten befohlen, zwischen den Bunkern Feldstellungen anzulegen und den Kampf bei massierten Angriffen von dort und nicht allein aus den Bunkern zu führen (vgl. Weidinger, a.a.O., S. 326).
IV. Die Bekämpfung der Bunker durch US-Truppen
Die US-Truppen entwickelten verschiedene Taktiken zur Bekämpfung von Westwallbunkern unter unterschiedlichsten Bedingungen, die oftmals speziell darauf abzielten, die deutschen Soldaten zunächst in die Bunker hineinzutreiben, um sie dort nachfolgend „auszuräuchern“ und zur Aufgabe zu bewegen. Verweigerten sie eine Aufgabe, wurde der Bunker mit brachialsten Methoden bekämpft (vgl. aus der umfangreichen US-Literatur z. B. die Studie „Breaching the Siegfried Line“ des XIX. US Korps aus Oktober 1944).
Für die hiesigen Zwecke mag die folgende grobe Zusammenfassung einiger gängiger Vorgehensweisen genügen (aus Rottman, World War II US Armored Infantry Tactics (2009), S. 50, Übersetzung aus der englischen Sprache):
„Der beeindruckende Westwall wurde im September und Oktober 1944 durchbrochen. Die Einheiten entwickelten ihre eigenen Verfahren für das Ausschalten von Bunkern. In der Regel näherten sich zwei oder drei Panzer einem Bunker aus verschiedenen Richtungen, nachdem er und die Umgebung mit Artillerie, Sturmgeschützen und Mörsern beschossen worden waren. Dies diente dazu, die Verteidiger aus den um den Bunker verstreuten Zwei- und Dreimann-Kampfstellungen in den Bunker zu treiben (diese boten potenziell mehr Widerstand als der Bunker selbst). Die meisten der ursprünglichen Panzerabwehrkanonen waren im Laufe des Krieges aus den Bunkern entfernt worden, so dass sie nur noch von Maschinengewehren verteidigt wurden. Während die Hauptgeschütze und MGs der Panzer in die Schießscharten und vermuteten Kampfstellungen feuerten, rückten die Infanterie-Sturmtrupps mit Panzerfäusten, Stapelladungen und manchmal auch Flammenwerfern vor. Oft genügte die einfache Demonstration des Abfeuerns eines Flammenstoßes im Sichtfeld der Schießscharte, um die Verteidiger des Bunkers dazu zu bringen, die weiße Fahne zu schwenken. Eine noch erfolgreichere Taktik war der Einsatz von Panzern mit Räumschild [sog. ‚Tank Dozer‘]. Wenn sich die Besatzung weigerte, sich zu ergeben, schob der Tank Dozer zuerst Erde vor die Schießscharten und verschüttete dann die Ausgänge – die Insassen trabten in der Regel vor diesem letzten Schritt mit erhobenen Händen hinaus. Pioniere brachten im Inneren 500-Pfund-Ladungen an, um den Bunker zum Einsturz zu bringen und seine Wiederverwendung zu verhindern, falls er bei einem Gegenangriff wieder eingenommen würde.“
Das V Corps der US Army verfuhr bei der Bunkerbekämpfung wie folgt (vgl. V Corps Operations in the ETO, 6 January 1942 – 9 May 1945 (1945), S. 258, Übersetzung aus der englischen Sprache):
„Es wurde eine mehr oder weniger flexible Methode für den Angriff auf die Befestigungen entwickelt. Wenn Panzer- oder Panzerjägerunterstützung verfügbar war, rückten alle Einheiten als Team vor, wobei die Infanterie mit dem Panzer in den Angriff ging. Die Öffnungen des angegriffenen Bunkers und der flankierenden Bunker wurden mit Panzer- und Handfeuerwaffenbeschuss abgedeckt, um ihre Scharten geschlossen zu halten. Wenn die Infanterie einen Punkt 25 Meter vom Bunker entfernt erreicht hatte, wurde das Panzerfeuer eingestellt, und drei oder vier der nächstgelegenen Infanteristen beschossen die Scharte mit Handfeuerwaffen, während zwei flankierende Gruppen von drei oder vier Mann zur Rückseite des Bunkers vordrangen. Diese Männer bearbeiteten den hinteren Eingang und die dortigen Scharten. Ein Mann ging dann zum Bunker hinunter und griff ihn mit Granaten und Panzerfäusten an. In der Regel gab der Feind dann auf, wenn nicht, wurde der Panzer oder ein Geschütz auf Selbstfahrlafette herangeführt, um die Rückseite des Bunkers zu sprengen. Sobald die Stellung eingenommen war, wurden zwei oder drei Mann zurückgelassen, um die Waffen in dem Bunker zu zerstören, während der Rest der Gruppe den nächsten Bunker von den Flanken und von hinten einnahm. Sprengladungen wurden herangebracht und der Bunker zerstört.
Wo keine Panzerunterstützung zur Verfügung stand, wurde ähnlich vorgegangen, mit dem Unterschied, dass ein Team von 16 bis 18 Mann eingesetzt wurde. Ein Team arbeitete sich bis zu dem Bunker vor und beschoss die Scharten mit Handfeuerwaffen, während ein anderes im toten Winkel des Bunkers operierte und mit Granaten, weißen Phosphorgranaten und TNT die Schießscharte sprengte. Anschließend wurde von oben eine Stabladung gegen die Tür platziert und die Tür gesprengt. Während dieses Team operierte, hielt der Unterstützungstrupp die unterstützenden Bunker mit Handfeuerwaffen geschlossen.
In jedem Fall wurden nach der Eroberung des Bunkers sofort Maßnahmen zum Schutz vor einem Gegenangriff ergriffen, indem man sich an der Front und an den Flanken aufstellte und, wenn die Stellung gehalten werden sollte, sich gegen das Mörser- und Artilleriefeuer verschanzte, das der Feind sofort auf die Stellungen abfeuerte.“
Manfred Groß führt hierzu aus (vgl. Groß/Rohde/Rolf/Wegener, Der Westwall – Vom Denkmalwert des Unerfreulichen (1997), S. 105):
„Zwar boten die Bunker Schutz vor Artilleriefeuer und Bomben – bei einer Deckenstärke von 2 Metern bis hin zu einer 10 Zentner-Bombe –, doch wurden sie für die dort eingesetzten deutschen Verteidiger zu tödlichen Fallen, wenn es dem Gegner erst einmal gelang, die in Stellungen außerhalb eingegrabene Besatzung durch Artilleriefeuer in den Bunker zu treiben. Kamen die Männer der Aufforderung, sich zu ergeben nicht nach, versuchte der Angreifer, sie durch den Beschuss der Türen und Scharten zur Aufgabe zu zwingen. Half auch das nicht, schoben mit Räumschilden ausgestattete Panzer Erde vor die Eingänge und Schartenöffnungen, oder die Infanterie versuchte mit Sprengmitteln, den Bunker mitsamt der Besatzung zu vernichten. Von den Deutschen erbeutete Erfahrungsberichte der Amerikaner über die angewandten Methoden zur Eroberung von Bunkern wurden übersetzt und den Bunkerbesatzungen bekanntgegeben, damit sie sich durch geeignete Maßnahmen gegen solche Angriffe schützen konnten.“
Es wird angesichts dessen deutlich, dass die Westwallbunker für ihre Besatzungen zumindest unter den im Herbst 1944 herrschenden Vorzeichen keineswegs „uneinnehmbare Bollwerke“ waren, wie dies die deutsche Propaganda unverändert behauptete, sondern regelmäßig Fallen, deren einziger Ausweg in Gefangenschaft oder Tod führte. Wo allerdings die Heranschaffung der von den US-Truppen gegen die Bunker eingesetzten schweren Waffen auf größere Hindernisse stieß, die Bunker durch direktes Artilleriefeuer nicht nachhaltig bekämpft werden konnten, das Gelände die Verteidiger begünstigte und diese durch eigenes Artilleriefeuer unterstützt werden konnte, behaupteten die Besatzungen ihre Bunker mitunter über Monate gegen die amerikanischen Angriffe, z. B. im Abschnitt Raffelsbrand im Hürtgenwald (vgl. Groß/Rohde/Rolf/Wegener, a.a.O., S. 104).
V. Die deutschen Verteidiger: Aufgeben oder im Bunker sterben?
Die vorstehenden Schilderungen zeigen bereits, dass die US-Truppen bei ihrem Vorgehen gegen die Bauwerke des Westwalls aus dem Vollen schöpfen konnten. Die verteidigenden deutschen Bunkerbesatzungen, vielfach bereits bestehend aus dem „letzten Aufgebot“, also sehr jungen oder alten, oftmals unzureichend ausgebildeten und ausgerüsteten Männern, hatten dem nichts entgegenzusetzen und ergaben sich zumeist angesichts des heftigen Beschusses und der offensichtlichen materiellen Überlegenheit der US-Soldaten.
Es sind jedoch auch Fälle beschrieben worden, in denen Bunkerbesatzungen selbst angesichts intensivster US-Angriffe über Stunden eine Aufgabe verweigerten und in ihren Bunkern ausharrten, mitunter bis in den Tod. Manfred Groß erklärt hierzu (vgl. Groß/Rohde/Rolf/Wegener, a.a.O., S. 106):
„Der Kampf um die einzelnen Bunker forderte viele Opfer, besonders bei den Verteidigern, die, wenn sie in den Bunkern eingeschlossen waren und bei dem vorbereitenden Feuer des Gegners die Scharten geschlossen hatten, sich nach außen nicht mehr verteidigen konnten. Die vom Gegner geforderte Übergabe des Bunkers wurde von den eingeschlossenen Besatzungen in vielen Fällen abgelehnt, so dass der Gegner gezwungen wurde, die Anlage mit der Besatzung zu zerstören.“
Dieses Verhalten wird häufig der Angst der Bunkerbesatzung vor dem Kriegsgericht im Hinblick auf die damalige Befehlslage zugeschrieben, z. B. dem am 14.09.1944 ergangenen sog. „Haltebefehl“ des damaligen Oberbefehlshaber West, General von Rundstedt, der lautete (vgl. Groß/Rohde/Rolf/Wegener, a.a.O., S. 106):
„1) Im Kampf um Deutschland ist der Westwall von entscheidender Bedeutung!
2) Ich befehle: Der Westwall mit jeder seiner einzelnen Anlage ist bis zur letzten Patrone und bis zur völligen Vernichtung zu halten. Dieser Befehl ist sofort sämtlichen Kdo.-Behörden, Dienststellen, Kampfkommandanten und Truppen bekanntzugeben.“
Dies greift jedoch zu kurz. Sehr viel gewichtiger als die Angst vor dem Kriegsgericht dürfte für den einzelnen Soldaten folgende Bekanntmachung des Reichsführer SS, Heinrich Himmler, vom 10.09.1944 gewesen sein (zitiert nach Shulman, Die Niederlage im Westen (1949), S. 401):
„Gewisse unzuverlässige Elemente scheinen zu glauben, der Krieg wäre für sie vorbei, sobald sie sich dem Feinde ergäben. Diesem Glauben gegenüber muss darauf hingewiesen werden, dass jeder Deserteur gerichtlich verfolgt wird und dass er seine gerechte Strafe finden wird. Darüber hinaus wird sein schimpfliches Verhalten die schwersten Folgen für seine Familie haben. Nach Prüfung der Umstände wird sie insgesamt erschossen werden.“
Im Geiste dieser Bekanntmachung wurde nachfolgend auch in der Wehrmacht agiert, wie ein Aufruf zeigt, der im November 1944 vor allen Angehörigen der 18. Volksgrenadierdivision verlesen wurde, die in der Eifel gegen die US-Truppen kämpfte. Nach der Nennung sechs angeblicher Deserteure mit ihren vollen Namen heißt es darin (zitiert nach Shulman, a.a.O., S. 403):
„Diese Schufte haben wichtige militärische Geheimnisse preisgegeben. Infolgedessen haben die Amerikaner in den letzten paar Tagen genau gezieltes Artilleriefeuer auf eure Stellungen, eure Bunker, eure Kompanie- und Zuggefechtsstände, eure Feldküchen und auf die Meldewege legen können. (…)
Was die verächtlichen, ehrvergessenen Verräter angeht, so seid versichert, dass die Division dafür sorgen wird, dass sie Heimat und Angehörige nie wiedersehen werden. Ihre Familien werden für ihren Verrat zu büßen haben. (…)“
In einem Befehl des Kommandeurs der 1. Armee, General von Obstfelder, von Anfang Dezember 1944, der beim Bundesarchiv abrufbar ist, heißt es unter dem Titel „Weisung für die Kampfführung im Westwall“ u. a. (vgl. Dokument BArch RH 30/18):
„1.) Der Westwall ist eine Linie, die unbedingt gehalten werden muß, in dem wird nur gestorben.
(…)
10.) Gegen Feigheit und Weichheit ist mit den schärfsten Mitteln einzuschreiten. Wer seinen Kampfstand bei Feindangriff aufgibt, ist ohne Verfahren sofort zu erschießen.
11.) Die Führer aller Grade sind sofort über die Kampfanweisung zu belehren. Durchführung ist der Armee bis zum 8.12.44 zu melden.
12.) Bei der Übernahme neuer Abschnitte des Westwalls sind die Kommandanten der Werke und Kampfstände schriftlich zu verpflichten, ihre Kampfstände bis zum letzten zu halten. Durchführung ist der Armee nach Beziehung der Kampfstände zu melden.
13.) Die Verpflichtung der derzeitigen Sicherheitsbesatzungen ist in gleicher Weise durchzuführen, Durchführung der Armee zum 10.12.44 zu melden.“
Dies waren die Rahmenbedingungen der deutschen Verteidiger bei einem US-Angriff auf den von ihnen besetzten Bunker. Sie hatten kraft Befehls bis zum Letzten auszuharren, wenn nötig bis in den Tod. Taten sie dies nicht und gaben auf oder schickten sich auch nur hierzu an, drohte ihnen schon deshalb der Tod. Selbst wenn der entsprechende Befehl vor Ort nicht umgesetzt wurde, konnten sie zwar aufgeben, in Gefangenschaft gehen und ihr Leben und ihre Gesundheit zunächst schonen, riskierten damit aber angesichts der für dieses Verhalten ausdrücklich angedrohten Vergeltungsmaßnahmen Wohl und Wehe ihrer Angehörigen zu Hause. Oder aber sie schützten ihr Leben und das ihrer Familie vor Vergeltung aus den eigenen Reihen und verharrten selbst angesichts brachialster Maßnahmen der US-Truppen in ihrem Bunker. So mag das Ausharren manches deutschen Soldaten in seinem Westwallbunker auch im Angesicht massiver US-Angriffe weniger mit dem Befolgen von Befehlen oder dem Glauben an einen „Endsieg“ zu erklären sein, der im Herbst 1944 ohnehin verbreitet nicht mehr vorhanden war, sondern vielmehr mit den massiven Drohungen und der blanken Sorge um die Folgen für die eigene Familie im Falle einer Aufgabe. Man mag sich den grausamen Gewissenskonflikt vorstellen, dem diese Soldaten ausgesetzt waren und der manch einen von ihnen dazu bewegt haben dürfte, zum Schutz seiner Angehörigen lieber in den Tod zu gehen.
Zu einigen dieser Kämpfe um Westwallbunker im Bereich des Hürtgenwaldes, deren Tote vielfach später durch Julius Erasmus geborgen wurden, liegen Augenzeugenberichte von deutscher oder amerikanischer Seite vor, die die Abläufe detailliert beschreiben. Einige dieser Berichte werden nachfolgend in der Serie „Bunkerkämpfe“ hier wiedergegeben werden.
(Titelfoto: Bunker 139/40 im Buhlert bei Strauch, März 2022)
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