Feldpostbriefe: Brief des 18-jährigen US-Soldaten Morton D. Elevitch an seine Mutter über seine Ausbildung zum Töten (Veröffentlicht am 29.10.2024)
Feldpostbriefe und ihre Bedeutung für die heutige Zeit
Bei den Recherchen nach Julius Erasmus kommt man zwangsläufig mit Feldpostbriefen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berührung. Seien es Mitteilungen über den Tod eines Soldaten, geschrieben von dessen Vorgesetztem an seine Angehörigen, die später Herrn Erasmus als Anhaltspunkt für eine Grabsuche übermittelt wurden oder andere Schriftwechsel zwischen im Krieg befindlichen Soldaten und ihren Familien zu Hause. Ich befasse mich seither auch näher mit Feldpostbriefen aus der damaligen Zeit.
Feldpostbriefe sind wertvolle Zeitdokumente, die gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen ihre zeitlose Botschaft entfalten und einen anschaulichen Eindruck darüber vermitteln, was Krieg für alle Beteiligten bedeutet. Sie sind ein wertvolles Werkzeug, um schon den Anfängen eines erneuten Strebens nach Krieg zu wehren und vielleicht dazu beizutragen, dass sich Geschichte nicht einmal mehr und mit abermals grausigen Folgen für die Menschheit wiederholt. Derzeit wird wieder einmal mit aller Macht für den Krieg, Waffen und das Töten von Menschen in großem Maßstab getrommelt, obschon man jahrzehntelang die vage Hoffnung haben konnte, dass die Menschheit aus den schmerzhaften Erfahrungen insbesondere zweier Weltkriege ihre Lektion endlich einigermaßen gelernt hat. Es scheint leider abermals nicht der Fall zu sein.
Vor diesem Hintergrund sollen hier in der Rubrik „Feldpostbriefe“ von Zeit zu Zeit entsprechende Briefe oder Briefauszüge aus unterschiedlichen Quellen veröffentlicht werden, um mit Nachdruck daran zu erinnern, was Krieg für die Menschen und die Menschheit bedeutet. Um einen Denkanstoß zu liefern und in der unerschütterlichen Hoffnung, dass dies einen Unterschied machen möge.
Feldpostbrief des US-Soldaten Morton D. Elevitch an seine Mutter von seiner Grundausbildung in Fort Benning, Georgia, in dem er ihr mitteilt zu lernen, wie man auf andere Menschen schießt, sie schlägt, tritt und bajonettiert (Quelle: Carroll, War Letters – Extraordinary Correspondence from American Wars (2001), S. 195 ff. (Übersetzung aus der englischen Sprache)):
„Liebe Louisa:
(…)
Diese Woche bringen sie uns das Töten bei. Jetzt hast du wahrscheinlich weggeschaut und den Kopf geschüttelt. Nun, Mama, mir gefällt die Idee auch nicht, aber wir alle wissen, dass es zu unserem Besten ist. Unsere anstrengendste Arbeit erfolgt, während wir auf derselben Stelle stehen – Bajonettdrill. Wir stürzen uns in bestimmten Bewegungen in die Luft und müssen knurren, Grimassen schneiden und einander hasserfüllt anblicken. Fünfhundert von uns tanzen herum, schreien, brüllen und knurren. Ein Gewehr scheint mit aufgesetztem Bajonett eine Tonne mehr zu wiegen. Unsere Arme fühlen sich an, als würden sie abfallen, als der Leutnant uns in einer Position verharren lässt und spricht! Unsere Bajonette sind mit einer Ummantelung versehen, damit niemandem der Kopf abgeschlagen wird. Sie bringen uns auch bei, wie wir unsere Bajonette auf eine bestimmte Art und Weise zurückziehen müssen, denn Stahl klebt am warmen menschlichen Fleisch. (Das hört sich furchtbar blutrünstig an, aber jeder bleibt ernsthaft bei der Sache).
Wir lernen Jiu-Jitsu-Griffe – und um es ganz offen zu sagen – einfach schmutziges Kämpfen. Das ist von unschätzbarem Wert für den Fall, dass jemand versucht, sich mit mir anzulegen. Vielleicht sollte ich das nicht erwähnen – ich weiß, dass ich es nicht tun sollte – aber es ist so – unsere Ausbilder betonen, dass wir schnell sein müssen oder sterben werden – immer versuchen, einen Mann zu töten – zuerst seinen Arm brechen – dann ihm unter die Nase, die Kehle, den Hals oder die Nieren schneiden, um ihn zu töten.
Ich fürchte, ich werde nie ein Experte auf diesem Gebiet sein, weil ich mich einfach nicht dazu durchringen kann, es ernsthaft zu versuchen. Überraschung ist ein sehr wichtiges Element – ich weiß, wie man jeden Griff bricht und einen Mann auf sein Gesicht wirft – sie bringen uns sogar bei, wie man wissenschaftlich auf einen Mann eintritt. Ich habe viele blutige Details ausgelassen.
Übrigens wird diese Woche alles im Eiltempo gemacht. Wir bewegen uns an Ort und Stelle und von Ort zu Ort im Eiltempo – puff puff.
Unter uns gesagt, ich bin müde.
Bis bald
Mort”
Morton D. Elevitch wurde am 23.07.1925 in Deutschland geboren und lebte bei Beginn des Zweiten Weltkriegs in Duluth, Minnesota. Er nahm daran als Angehöriger der 94. US-Infanteriedivision teil und kämpfte in Europa. Nachdem er am 27.01.1945 in der Schlacht von Sinz in Deutschland durch Mörsersplitter verwundet worden war, lag er sechs Monate lang im Krankenhaus und kehrte Weihnachten 1945 in die USA zurück. Er starb am 30.09.2006 in Rockland County, New York, USA.
(Titelfoto: Grabkreuze auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Hamm/Luxemburg,
September 2024)
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