Feldpostbriefe: Gedicht des 18-jährigen deutschen Soldaten Reinhard Reschop während des Zweiten Weltkriegs (Veröffentlicht am 02.01.2023)


Feldpostbriefe und ihre Bedeutung für die heutige Zeit

Bei den Recherchen nach Julius Erasmus kommt man zwangsläufig mit Feldpostbriefen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berührung. Seien es Mitteilungen über den Tod eines Soldaten, geschrieben von dessen Vorgesetztem an seine Angehörigen, die später Herrn Erasmus als Anhaltspunkt für eine Grabsuche übermittelt wurden oder andere Schriftwechsel zwischen im Krieg befindlichen Soldaten und ihren Familien zu Hause. Ich befasse mich seither auch näher mit Feldpostbriefen aus der damaligen Zeit.

Feldpostbriefe sind wertvolle Zeitdokumente, die gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen ihre zeitlose Botschaft entfalten und einen anschaulichen Eindruck darüber vermitteln, was Krieg für alle Beteiligten bedeutet. Sie sind ein wertvolles Werkzeug, um schon den Anfängen eines erneuten Strebens nach Krieg zu wehren und vielleicht dazu beizutragen, dass sich Geschichte nicht einmal mehr und mit abermals grausigen Folgen für die Menschheit wiederholt. Derzeit wird wieder einmal mit aller Macht für den Krieg, Waffen und das Töten von Menschen in großem Maßstab getrommelt, obschon man jahrzehntelang die vage Hoffnung haben konnte, dass die Menschheit aus den schmerzhaften Erfahrungen insbesondere zweier Weltkriege ihre Lektion endlich einigermaßen gelernt hat. Es scheint leider abermals nicht der Fall zu sein.

Vor diesem Hintergrund sollen hier in der Rubrik „Feldpostbriefe“ von Zeit zu Zeit entsprechende Briefe oder Briefauszüge aus unterschiedlichen Quellen veröffentlicht werden, um mit Nachdruck daran zu erinnern, was Krieg für die Menschen und die Menschheit bedeutet. Um einen Denkanstoß zu liefern und in der unerschütterlichen Hoffnung, dass dies einen Unterschied machen möge.

 

 

Gedicht des deutschen Soldaten Reinhard Reschop, 18 Jahre alt
(Quelle: v. Bebenburg, Ein Vermächtnis – Briefe und Gedichte gefallener Soldaten des Zweiten Weltkrieges [1955], S. 40 f.):

 

Waldheimat

„Die Heimat ist der schönste Wald:
Wo rings die Wipfel beben,
durch Bäume jung und alt
die herben Winde wehen;
wo tiefes, grünes Moos
verträumt ins Dasein blickt;
wo weit im dichten Schoß
Gehölz in sich verstrickt;
wo schlanke Tannen stehen,
voll Stolz emporgereckt;
wo sich im Winde drehen
die Gräser, hochgereckt.

 

Die Heimat ist der Wald,
wo weit die Bäume rauschen.
Wo Stürme voll Gewalt
durchs leichte Buschwerk tauschen.
Wo Riesen trotzig stolz
den Stürmen widerstehen,
muß morsches, dürres Holz
im Kampf zugrunde gehn.
Wo leicht am Boden froh
ein kleines Bächlein rinnt,
wo träumend irgendwo
ein Mensch im Waldlicht sinnt.

 

Die Heimat ist der Wald,
der Seele Heimatstatt,
wo zierliche Gestalt
die Lebenszuflucht hat.
Wo Du nach hartem Los
zu neuem Sein erhebst,
was Du auf weichem Moos
an neuer Kraft erlebst,
Wo Du den Sinn erkennst
der göttlichen Natur,
wo Du das Sein erkennst,
das webt in der Natur.

 

Die Heimat ist der Wald!
Siehst Du den goldnen Schein,
der leuchtend überstrahlt
den Wipfel und den Hain?
Die Sonne segnet reich,
bevor sie schlafen geht,
das weite, grüne Reich,
das leis der Wind umweht.
Nun sieh! Der Glanz vergeht.
Der Tag ist sanft verhallt.
In tiefem Dämmern steht
die Heimat, unser Wald!“

 

Grenadier Reinhard Reschop, geboren am 24. August 1925 in Berlin-Steglitz, beging am 23. September 1943 in Pogorzelce/Polen Selbstmord.

 

(Titelfoto: Ehrenfriedhof Heidelberg, April 2022)

 

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