Feldpostbriefe: Letzter Brief des deutschen Soldaten Werner Hast an seine Familie (Veröffentlicht am 08.11.2024)
Feldpostbriefe und ihre Bedeutung für die heutige Zeit
Bei den Recherchen nach Julius Erasmus kommt man zwangsläufig mit Feldpostbriefen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berührung. Seien es Mitteilungen über den Tod eines Soldaten, geschrieben von dessen Vorgesetztem an seine Angehörigen, die später Herrn Erasmus als Anhaltspunkt für eine Grabsuche übermittelt wurden oder andere Schriftwechsel zwischen im Krieg befindlichen Soldaten und ihren Familien zu Hause. Ich befasse mich seither auch näher mit Feldpostbriefen aus der damaligen Zeit.
Feldpostbriefe sind wertvolle Zeitdokumente, die gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen ihre zeitlose Botschaft entfalten und einen anschaulichen Eindruck darüber vermitteln, was Krieg für alle Beteiligten bedeutet. Sie sind ein wertvolles Werkzeug, um schon den Anfängen eines erneuten Strebens nach Krieg zu wehren und vielleicht dazu beizutragen, dass sich Geschichte nicht einmal mehr und mit abermals grausigen Folgen für die Menschheit wiederholt. Derzeit wird wieder einmal mit aller Macht für den Krieg, Waffen und das Töten von Menschen in großem Maßstab getrommelt, obschon man jahrzehntelang die vage Hoffnung haben konnte, dass die Menschheit aus den schmerzhaften Erfahrungen insbesondere zweier Weltkriege ihre Lektion endlich einigermaßen gelernt hat. Es scheint leider abermals nicht der Fall zu sein.
Vor diesem Hintergrund sollen hier in der Rubrik „Feldpostbriefe“ von Zeit zu Zeit entsprechende Briefe oder Briefauszüge aus unterschiedlichen Quellen veröffentlicht werden, um mit Nachdruck daran zu erinnern, was Krieg für die Menschen und die Menschheit bedeutet. Um einen Denkanstoß zu liefern und in der unerschütterlichen Hoffnung, dass dies einen Unterschied machen möge.
Letzter Brief des deutschen Soldaten Werner Hast an seine Ehefrau Inge und seine Kinder (Quelle: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Letzte Lebenszeichen – Briefe aus dem Krieg, S. 89 ff.):
„Liebste Käthe!
Mein Ingelein!
Bei zwei Flügen war es nun schon sehr schwer wieder nach Hause zu kommen, bei dem einen Mal haben wir selbst lange nicht geglaubt, dass wir es noch schaffen könnten! Es ist noch einmal gut gegangen, weil wir den Mut nicht verloren haben und weil wir genug Glück gehabt haben. Nach alter Fliegersitte haben wir danach im Heimathorst ‚Geburtstag‘ gefeiert. – Wenn Du nun heute diesen Brief erhältst, so wird er Dir sagen, dass ich einmal nicht mehr genug Glück in einer schweren Lage gehabt habe und dass ich wahrscheinlich nicht mehr zurückkehren werde, – zum Heimathafen, nach Hause zu Dir und den Kindern. Ich will aber nicht, dass fremde Menschen Dir diese bitteren Worte als Erste sagen sollen, ich selbst will Dir ‚Lebe-Wohl‘ sagen und hoffe, dass Dir der Abschied dadurch etwas weniger schwer wird.
Ich möchte Dir heute noch einmal danken für die unsagbare Liebe und Treue, die Du mir immer entgegengebracht hast in den langen, schweren und schönen Jahren, die wir uns gehört haben. Das Leben war ja so unvorstellbar herrlich für mich, wenn ich bei Dir sein konnte, – und wir haben unsere Zeit gut ausgenützt! Ich denke nur an die Wochen in Zwischenahn und die Urlaubstage des letzten Winters und Frühjahrs! – Für die Zukunft kann ich Dir und den Kindern nur Glück und Standhaftigkeit wünschen, denn Ihr werdet es nicht leicht haben! Aber denke immer daran, wie viele Frauen vor Dir ihren Mann schon hergeben mussten und wie viele es in der Zukunft noch tun müssen. Das alles muss eben sein, damit die Kinder in Ruhe und Sicherheit und Frieden aufwachsen und leben können. Wenn es Dir dann einmal zu schwer wird, dann denke an unsere beiden Töchter und an unser Drittes, die Dich brauchen, für die Du da bist und in denen ich weiterlebe!
Ich grüße zum letzten Male Dich, meine liebe Inge-Frau, Dich, meine große Karin, Dich meine kleine Renate, und Dich, mein ungeborenes Kleines, das ich noch nicht gesehen habe. Ich küsse Euch von Herzen
Euer Werner.
Diesen Brief hat ein Kamerad in Verwahrung genommen und sendet ihn Dir nun, nachdem ich vermisst bin und fast keine Hoffnung mehr besteht, von mir noch etwas zu hören.“
Werner Hast, geb. am 04.12.1912 in Berlin, ist am 30.10.1944 in Norwegen gefallen. Er wurde auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Bergen-Solheim/Norwegen bestattet.
(Titelfoto: Margerite am Grab zweier unbekannter Soldaten
auf dem Soldatenfriedhof Vossenack, Juni 2023)
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