Gedanken zum Krieg: Aus der Gedenkrede des deutschen Soldaten Bernhard Beckering für einen gefallenen Freund, März 1944 (Veröffentlicht am 04.11.2024)


Gehalten
auf Schloss Elmau am 18.03.1944 für Harald Eckert, gefallen am 22.01.1942 (Quelle: Bähr/Meyer/Orthbandt, Kriegsbriefe gefallener Studenten 1939 – 1945, S. 433 f.):

„Wenn wir an unsere heutige Lage denken, – glauben wir, dass nach dem Kriege der Friede beständig sein wird, dass die Menschen besser sein werden, die Einsicht größer und die Wahrheit näher? Nichts von alledem: der Sieger wird Zeichen von Übermut, Willkür und Nachlässigkeit zeigen. Die nachkommende Generation wird, unbekümmert um das Blut ihrer Väter, die Leiden ihrer Mütter, lachend und harmlos die Welt neu erobern wollen und nicht ahnen, auf welch schmerzlichem Grunde die Sicherheit ihres Daseins ruht. Ja, es müsste keine Jugend sein, wenn sie nicht Lust hätte, mit allem, was wir geschaffen, einmal recht nach Herzenslust aufzuräumen, um nun endlich die einzig menschenwürdige, vollkommene Welt aufzubauen.

Irdisches und ewiges Denken durchdringen und verwirren sich in unseren Betrachtungen häufig. Es ist, als seien zwei Bilder auf eine Leinwand übereinander gemalt. Unser Blick sieht einmal die Zusammenhänge des einen Bildes, dann wieder die des anderen, ohne dass eine widerspruchslose Verschmelzung möglich wäre.

Das Bild des Irdischen zeigt die Jugend, den Erfolg, den Fortschritt, das Geld, die brutale Kraft, ein blasses rauschhaftes Glück, für das wir schwer bezahlen müssen, Vergänglichkeit und Verfall und die Trostlosigkeit des Alters.

Das Bild des Ewigen zeigt die wahren Werte, die unabhängig sind von Lebensalter und Erfolg: die Liebe, die Treue, die Wahrheit, die Echtheit, die Möglichkeit zu tiefstem Vertrauen.

Das irdische Bild zeigt die grellen Farben der Propaganda, die Aufdringlichkeit des Beweisbaren, den Hochmut der Skepsis und die Siegesfahnen des Erfolges.

Das Bild des Ewigen aber hat für den hellsichtig Gewordenen eine eigene, unbeweisbare, aber umso überzeugendere Leuchtkraft und verhält sich zu dem anderen Bild wie die Sonne zu einer Grubenlampe.

In dem Versuch, dieses Geheimnisses ansichtig zu werden – auch wenn es ewig Geheimnis bleibt und bleiben muss –, gewinnen wir die Möglichkeit eines Vertrauens zum Leben, das seinem Wesen nach mit christlicher Gläubigkeit eine eigentümliche Verwandtschaft hat. Dieses Vertrauen besagt: dass ein aus göttlichen Kräften gelebtes Leben in einem anderen Reiche nicht verloren und vergessen ist, auch wenn es uns gänzlich unzugänglich bleibt, wie dies geschieht. Es, besagt ferner: dass wir uns unserem eigenen Grund am meisten nähern, wo wir in Demut, Verehrung und Liebe das Göttliche am anderen Menschen zu finden suchen.“

 

Bernhard Beckering, geb. am 09.07.1907 in Deutsch-Wilmersdorf, gefallen am 25.01.1945 in der Eifel bei Oos/Gerolstein.

 

(Titelfoto: Herbstmorgenstimmung im Hürtgenwald, Oktober 2023)

 

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