„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: Kranzniederlegung durch den Landrat auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack am Volkstrauertag 2022 – oder: Quod licet iovi, non licet bovi? (Veröffentlicht am 21.04.2023)
I. Die Verwaltung des Kreises Düren unter Landrat Wolfgang Spelthahn
Seit Beginn meiner Recherchen zu Julius Erasmus habe ich regelmäßig mit der Verwaltung des Kreises Düren zu tun, deren Zuständigkeit die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack unterfallen. Nachdem Landrat Spelthahn (CDU), Leiter der Kreisverwaltung, eine Unterstützung der Recherchen früh abgelehnt hat und entsprechende Anfragen eher behäbig beantwortet wurden, erfolgt die Korrespondenz inzwischen weitestgehend auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen („IFG NRW“), das den Kreis Düren zur Zugänglichmachung amtlicher Informationen verpflichtet. Zu Inhalt und Reichweite dieses Gesetzes hat der Kreis Düren immer wieder sehr überraschende Ansichten, die sich oft jenseits von allem bisher Bekannten, insbesondere der einschlägigen Rechtsprechung, bewegen, die man aber dennoch so lange beharrlich vertritt, bis sie sich als unhaltbar erweisen. Es entsteht der Eindruck einer Behörde, die frei darüber entscheiden zu können glaubt, wann geltendes Recht für sie gilt und in welcher Form.
II. Das Blumenverbot am Volkstrauertag 2022: Landrat Spelthahn legt Kränze nieder, von Friedhofsbesuchern abgelegter Grabschmuck wird entsorgt
In diese Kategorie fällt auch das im Zuge der Neufassung der Friedhofsordnung für die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack erlassene Verbot der Niederlegung von „Kränzen oder Blumen, Vasen oder anderen Zeichen der Trauerbekundung“ in deren § 4 Ziffer 4. a), das hier auch als „Blumenverbot“ bezeichnet wird. Verstöße gegen dieses Verbot hat der Kreis Düren zur Ordnungswidrigkeit erklärt (vgl. § 7 der neuen Friedhofsordnung).
Wie berichtet, hatte der Kreis Düren bereits unter Geltung der alten Friedhofsordnung aus dem Jahr 2008, die ein solches Verbot nicht beinhaltete, im Sommer 2022 damit begonnen, auf diesen Friedhöfen abgelegten Grabschmuck ohne Ankündigung zu entfernen und zu vernichten. Eine rechtliche Prüfung dieses Vorgehens hatte man ebenso für entbehrlich gehalten wie die vorherige Information der betroffenen Angehörigen. Die vom Kreis Düren aufgrund des IFG NRW hierzu erteilte schriftliche Auskunft ist lesenswert.
Dem Vernehmen nach hat der Kreis Düren auch am und um den Volkstrauertag 2022 auf den beiden Soldatenfriedhöfen abgelegten Grabschmuck, Blumen und Kerzen entfernen und vernichten lassen.
Für den Kreis Düren und Landrat Spelthahn scheint die Friedhofsordnung, insbesondere das besagte Verbot, jedoch nicht zu gelten. So veröffentlichte der Kreis am 13.11.2022 unter dem Titel „Volkstrauertag: Landrat Spelthahn gedenkt der Opfer von Krieg und Gewalt“ eine Pressemitteilung [Archivlink] in der es u. a. heißt:
„Als Zeichen gegen das Vergessen und in Gedenken an die Opfer von Krieg, Gewalt und Vertreibung hat Landrat Spelthahn anlässlich des Volkstrauertages Kränze an [sic] den Gedenkstätten in Hürtgen und Vossenack niedergelegt.“
Neben dem Umstand, dass die „andächtige Veranstaltung an der Kriegsgräberstätte“ nicht am Volkstrauertag, Sonntag, dem 13.11.2022, sondern bereits vor diesem, nämlich am Freitag, den 11.11.2022 stattgefunden hatte, erstaunte vor allem die Kranzniederlegung. Nicht, weil diese zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft nicht in jeder Hinsicht angebracht und seit Jahrzehnten tradiert wäre, sondern weil der Kreis Düren sie allen anderen Besuchern der besagten Soldatenfriedhöfe ausdrücklich untersagt und als Ordnungswidrigkeit betrachtet.
III. Der Kreis Düren und Landrat Spelthahn: Quod licet iovi, non licet bovi?
Nachdem der Vorgang im Gerichtsverfahren gegen das Blumenverbot angesprochen worden war, erklärte der Kreis Düren hierzu, die Kranzniederlegung sei „im Rahmen einer zulässigen Ausnahme“ erfolgt, es habe eine „Ausnahmegenehmigung“ vorgelegen – der Kreis Düren will also eine Ausnahmegenehmigung zur Niederlegung der besagten Kränze durch Landrat Spelthahn erteilt haben.
Da mir die Vorstellung, wie der Landrat als oberster Beamter der Kreisverwaltung bei eben jener eine Ausnahmegenehmigung für die Niederlegung von Kränzen auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack beantragt und sie sich anschließend quasi selbst erteilt, ebenso amüsant wie abwegig erschien, bat ich den Kreis Düren aufgrund des IFG NRW um Auskunft darüber, wann und durch wen die angebliche „Ausnahmegenehmigung“ beantragt sowie wann und durch wen sie erteilt wurde.
Der Kreis Düren teilte hierzu mit:
„Die Veranstaltung zum Volkstrauertag wird von Frau Annegret Greven, Stabsstelle für Kreistagsangelegenheiten und Kultur, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin des Kreisverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. organisiert. Herr Landrat Spelthahn legt als Vorsitzender des Kreisverbandes des Volksbundes den Kranz nieder. Frau Greven hat bei der Friedhofsverwaltung, Herrn Mainz, mündlich die Genehmigung beantragt und diese wurde ebenfalls mündlich durch Herrn Mainz erteilt. Die Beantragung und Erteilung erfolgte im Vorfeld der Veranstaltung vom 11.11.22; das genaue Datum ist nicht mehr bekannt.“
Die Genehmigung soll also mündlich beantragt und mündlich erteilt worden sein, wann ist jeweils – natürlich! – unbekannt.
Wer mit der Verwaltungstätigkeit des Kreises Düren etwas näher vertraut ist, weiß sofort Bescheid. Zumindest nach meinen bisherigen Erfahrungen mit dieser Kreisverwaltung, wo z. B. aussagekräftige Akten – zumindest in den hier bekannten Angelegenheiten – kaum geführt werden und generell zu nahezu beliebigem eigenen Handeln Informationen angeblich nicht (mehr) vorhanden sind, kann ich mir nicht vorstellen, dass überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt eine „Ausnahmegenehmigung“ für die Kranzniederlegung beantragt wurde.
Dies wäre an sich nicht weiter problematisch, würde es doch nur die völlige Unsinnigkeit und Weltfremdheit des vom Kreis Düren erlassenen Blumenverbots belegen.
Das Problem beginnt dort, wo der Kreis Düren genau dieses Verhalten, das er für sich und seine Repräsentanten vermutlich als selbstverständlich in Anspruch nimmt, jedem anderen Besucher der besagten Soldatenfriedhöfe verbietet, ihren Grabschmuck entfernt und vernichtet und sie mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrecht bedroht. Wird hier nach der Devise römischer Spätdekadenz “Quod licet iovi, non licet bovi“ („Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“) verfahren, wonach sich die „hohen Herren“ eine Befugnis jenseits des – im Fall der Friedhofsordnung – selbst gesetzten und für die Bürger selbstverständlich verbindlichen Kommunalrechts anmaßen? Das Vorgehen ist wenigstens überheblich und unsensibel, wobei man davon ausgehen darf, dass der Widerspruch in der Verwaltung des Kreises Düren niemandem überhaupt aufgefallen ist, schließlich ist man es dort offenbar auch sonst gewohnt, ganz nach eigenem Belieben zu verfahren.
Man darf gespannt sein, wie lange dies noch gut gehen wird.
(Titelfoto: Collage von Inhalten der
Pressemitteilung des Kreises Düren vom 13.11.2022)
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