„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: Kreis bestreitet „Blumenverbot“ auf den Soldatenfriedhöfen im Hürtgenwald gegenüber Presse und Medien (Veröffentlicht am 13.05.2023)


I. Die Verwaltung des Kreises Düren

Wer mit der Verwaltung des Kreises Düren zu tun hat, sieht sich – wie bereits berichtet – nicht selten mit merkwürdigen Ansichten konfrontiert, die wohl dem Weltbild der dortigen Protagonisten entsprechen, aber mit geltendem Recht nicht selten kaum bis gar nicht vereinbar sind.

Ein neues Kapitel dieser offenbar endlosen Geschichte betrifft das vom Kreis Düren für die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack erlassene Verbot der Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“, über das auf diesem Blog berichtet wurde. Bekanntlich ist die rechtliche Zulässigkeit dieses Verbots derzeit auch Gegenstand eines Rechtsstreits, in dem der Kreis Düren (bislang) strikt an seiner Position festhält, wonach die Ablage solcher „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den besagten Friedhöfen nur nach Erteilung einer entsprechenden „Ausnahmegenehmigung“ zulässig sei.

Ich habe auch mehrere Kanäle von Presse und Medien auf den Vorgang aufmerksam gemacht und eine Berichterstattung darüber angeregt, u. a. bei der Redaktion der WDR-Sendung „Lokalzeit Aachen“ sowie bei der „Epoch Times“.

Beide nahmen daraufhin Kontakt mit der Pressestelle des Kreises Düren (Archivlink) auf, um sie hierzu zu befragen. Die Antworten des Kreises Düren waren bemerkenswert.

 

II. Die Aussagen der Pressestelle des Kreises Düren gegenüber dem WDR

Der Vertreter von „Lokalzeit Aachen“ teilte mir per E-Mail mit, die Pressestelle des Kreises Düren habe ihm auf seine Anfrage zu dem Blumenverbot folgendes erklärt:

„der Kreis hat mir gesagt, dass es doch erlaubt sei, Blumen abzulegen. Die Friedhofsgärtner wüssten Bescheid. Das Verbot wurde damals ausgesprochen, weil entsprechende Besucher vor allem die Gräber der Wehrmachtssoldaten ‚geschmückt‘ hätten. Die Erlaubnis zur Blumenablage sei aber noch nicht in der neuen Satzung festgeschrieben. Damit ist es trotzdem für uns kein Thema mehr.“

 

Eine Überprüfung dieser offensichtlich hanebüchenen Aussage, die eigentlich schon bei minimalsten Rechtskenntnissen für Verwunderung sorgen müsste, sich jedenfalls aber schon anhand öffentlich verfügbarer Informationen einfach widerlegen lässt, hielt man beim WDR offenbar nicht für erforderlich. Eine Berichterstattung sei angesichts der Mittelung der Pressestelle für den WDR „kein Thema mehr“.

Etwas ungläubig richtete ich zum Inhalt der Aussagen der Pressestelle gegenüber dem WDR eine Anfrage an den Kreis Düren, der mir hierzu mitteilte:

„Herrn […] wurde damals seitens der Pressestelle mündlich geantwortet. Da dazu keine schriftliche Dokumentation erfolgte, ist der genaue Wortlaut nicht mehr bekannt und kann nur aus der Erinnerung wiedergegeben werden. Kernbotschaft der Antwort war, dass es gestattet sei, Blumenschmuck abzulegen, wenn erkennbar keine rechtsgerichtete Motivation dahinterstecke, auch wenn dies so nicht explizit in der Friedhofsordnung stehe.“

 

Diese Aussage überrascht, steht sie doch § 4 Ziffer 4. a) der neuen Friedhofsordnung des Kreises Düren und nicht zuletzt dessen Vortrag im gerichtlichen Verfahren und dem dort von ihm verteidigten Verbot der Ablage jeglichen Grabschmucks, der nicht zuvor durch eine „Ausnahmegenehmigung“ gestattet wurde, diametral entgegen.

Die Behauptung des Kreises Düren, wonach „es gestattet sei, Blumenschmuck abzulegen, wenn erkennbar keine rechtsgerichtete Motivation dahinterstecke“, lässt sich – unabhängig von der einmal mehr erkennbar fehlenden Bestimmtheit der verwendeten Begriffe – der Friedhofsordnung nirgends entnehmen. Offen bleibt auch, wann eine „rechtsgerichtete Motivation“ hinter einem Grabschmuck „steckt“ und wer hierüber eigentlich befindet. Offenbar möchte der Kreis Düren gern nach beliebigem Ermessen und jenseits aller, sogar der in Form der Friedhofsordnung selbstgesetzten rechtlichen Vorgaben darüber entscheiden können, wann und wem eine Grabschmuckablage auf den besagten Soldatenfriedhöfen erlaubt ist.

Derartiges Verhalten nennt sich Willkür. Es ist ein Merkmal totalitärer Diktaturen und bewirkt in einem Rechtsstaat, in dem die klare Bestimmtheit und Bestimmbarkeit rechtlich zulässigen Verhaltens eine elementare Grundvoraussetzung ist, zwingend die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Maßnahme. Dies sollte sich eigentlich auch bis zur Verwaltung des Kreises Düren herumgesprochen haben.

 

III. Die Aussagen der Pressestelle des Kreises Düren gegenüber der „Epoch Times“

Interessanterweise handelt es sich bei den Aussagen der Pressestelle des Kreises Düren gegenüber dem WDR auch nicht um einen Einzelfall. In der Antwort auf eine Anfrage des Journalisten Erik Rusch von der „Epoch Times“ äußerte man sich ähnlich.

Auf seine Frage, weshalb die Friedhofsordnung geändert worden sei, erklärte ihm die Pressestelle:

„Die Friedhofsordnung wurde durch den Kreistag am 13.09.2022 neu verabschiedet. Allerdings wurde inhaltlich nichts an der bisherigen Friedhofsordnung geändert. Der Begriff ‚Ehrenfriedhof‘ wurde lediglich durch den Begriff ‚Kriegsgräberstätte‘ ausgetauscht.“

 

Diese Antwort erstaunt. Sie entspricht dem Märchen, das man vor der Abstimmung im Kreistag über die Neufassung der Friedhofsordnung verbreitet hatte und das vermutlich erst deren einstimmige Annahme ermöglichte. Offenbar ist der Pressestelle auch gar nicht aufgefallen, dass die Antworten auf alle weiteren Fragen von Herrn Rusch gerade inhaltliche Änderungen an der Friedhofsordnung zum Gegenstand haben, die die eigene Aussage, es sei „inhaltlich nichts an der bisherigen Friedhofsordnung geändert“ worden, von vornherein widerlegen. Ein typisches Beispiel für den greifbaren Unsinn, den die Verwaltung des Kreises Düren immer wieder produziert, ohne dies offenbar zu bemerken.

Auf die Frage des Herrn Rusch, weshalb das Niederlegen von „Blumen, Vasen oder anderen Zeichen der Trauerbekundung“ auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack nun verboten ist und eine Ausnahmegenehmigung erfordert, teilte ihm die Pressestelle mit:

„Im Laufe des Jahres, insbesondere zum Volkstrauertag, legen Angehörige oder Bekannte von Bestatteten Kränze, Gestecke, Blumen, Grableuchten, Fotos der Verstorbenen, etc. an den Gräbern ab. Der Kreis Düren hat festgelegt, dass diese Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis unter die Ausnahmeregelung fallen und keiner vorherigen Genehmigung bedürfen. Nicht gestattet sind generell Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften oder Fotos in Wehrmachts- oder SS-Uniform.“

 

Wo der Kreis Düren die behauptete „Festlegung“ getroffen hat, wer und was angeblich unter die Ausnahmeregelung fällt, bleibt erneut offen. In der Friedhofsordnung findet sich hierzu nichts. Interessant ist auch die Mitteilung, eine Ablage von Fotos in Uniform sei auf den Friedhöfen „generell nicht gestattet“. Auch hierzu findet sich in der Friedhofsordnung nichts, so dass sich einmal mehr bereits die Frage nach der diesbezüglichen Rechtsgrundlage stellt, die bekanntlich Grundvoraussetzung der Rechtmäßigkeit jeder staatlichen Maßnahme ist.

Herr Rusch fragte auch nach dem Grund, weshalb in der Neufassung, an der ja der Pressestelle zufolge „inhaltlich nichts geändert“ worden sei, die an § 1 Abs. 1 des Gräbergesetzes angelehnte Formulierung in § 2 der bisherigen Friedhofsordnung, wonach beide Soldatenfriedhöfe „dem besonderen Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet“ sind, entfernt wurde. Die Antwort der Pressestelle lässt einmal mehr tief blicken:

„Die spezifisch deutsche Formel vom ‚Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft‘ ist mittlerweile umstritten und bedürfte der Änderung. Der Grund: Unterschiedslos werden damit getötete Juden, Opfer von Massenmorden durch Wehrmacht und SS in Dörfern und Städten der Sowjetunion sowie gefallene Wehrmachtsoldaten und Angehörige der Waffen-SS zu eben jenen ‚Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft‘ vereint. Folgt man dieser Formel, dann gab es im Zweiten Weltkrieg nur Opfer – und keine Täter.“

 

Aufgrund welcher Umstände es sich angeblich um eine „spezifisch deutsche Formel“ handelt und diese angeblich „umstritten“ ist, bleibt offen. Offenbar ist man beim Kreis Düren der Ansicht, dass tote deutsche Soldaten per se keine „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ sein können (oder dürfen) und entfernt dort lieber für beide Friedhöfe, auf denen auch zahlreiche zivile Kriegsopfer liegen, insgesamt die Widmung des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, als auch nur für einen der dort bestatteten deutschen Soldaten anzuerkennen, dass es sich um ein Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft handeln könnte.

Dass ein im Zweiten Weltkrieg gefallener Soldat kein „Opfer von Krieg“ sein soll, erstaunt und zeigt die verquere Weltsicht der Protagonisten in der Verwaltung des Kreises Düren. Es liegt im Wesen des Krieges, dass alle Soldaten Täter und Opfer sind. Aus politischen Gründen verletzen und töten sie andere Menschen und riskieren, von diesen verletzt und getötet zu werden. Eine Differenzierung nach „guten“ und „schlechten“ Toten ist politischer Natur. Sie ist weder aus menschlicher Sicht angebracht, noch ist sie mit der Achtung der Menschenwürde als einer der Grundprämissen eines freiheitlich-demokratischen Staatswesens vereinbar. Denn wenn die Menschenwürde unantastbar und sie zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist (so z. B. Art. 1 Abs. 1 GG), ist auch ein Totengedenken zu gewährleisten, das die Menschenwürde jedes einzelnen Toten achtet und schützt. Mit der staatlichen Menschenwürdegarantie ist eine Differenzierung, wie man sie beim Kreis Düren offenbar betreiben möchte, unvereinbar. Es handelt sich um geistlose ideologische Agitation, gespeist vor allem durch Unwissenheit und Unverständnis, die grundlegenden moralischen und ethischen Maßstäben widerspricht.

 

IV. WDR kontra „Epoch Times“ oder Was ist professioneller Journalismus?

Bemerkenswert ist auch die unterschiedliche Reaktion der Adressaten auf die ersichtlich fragwürdigen Erklärungen der Pressestelle des Kreises Düren.

Während der WDR ungeachtet der ersichtlichen Friktionen offenbar pauschal die Wahrheit der Mitteilung des Kreises Düren unterstellt und auf dieser Grundlage eine Berichterstattung für erledigt erklärt hat – womöglich hat man hierfür auch nur einen wie auch immer gearteten Vorwand gesucht –, ist Herr Rusch von der „Epoch Times“ den deutlichen Widersprüchen nachgegangen und hat hierzu das Gespräch gesucht. Was wahr ist und was nicht, hat sich dabei schnell herausgestellt.

Der Artikel von Erik Rusch mit dem Titel „Blumenverbot für Kriegsgräberstätten? – Anwalt sieht ‚grundlegende Rechtsverletzung‘“ wurde am 02.04.2023 in der „Epoch Times“ veröffentlicht.

Das Verhalten des WDR ist unwürdig und mit grundsätzlichen journalistischen Standards sowie dem selbstgesetzten Programmauftrag unvereinbar. Ein solches Medium ist irrelevant und ohne weiteres entbehrlich.

 

(Titelfoto: Soldatenfriedhof Bensheim-Auerbach/Bergstraße, April 2022)

 

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