„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: Verwaltung außer Rand und Band – Kreis verbietet auf den Soldatenfriedhöfen im Hürtgenwald nun auch Fotos der Gefallenen in Uniform (Veröffentlicht am 18.08.2023)


I. Kreis Düren: Änderung der Friedhofsordnung ist nicht beabsichtigt

Bereits im Rahmen des Gerichtsverfahrens vor dem VG Aachen und dem OVG Nordrhein-Westfalen über die Zulässigkeit des sog. Blumenverbots auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack hatte der Kreis Düren, geleitet von Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), bekräftigt, man beabsichtige „derzeit“ keine Änderung der aktuell geltenden, hier aus mehrerlei Gründen für rechtswidrig gehaltenen Friedhofsordnung vom 13.09.2022 („FO 2022“). Man kündigte aber an, eine „Dienstanweisung für die Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter“ erlassen zu wollen, die vorsehen werde, dass „Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis der auf den Kriegsgräberstätten Bestatteten stets unter die Ausnahmeregelung des § 4 Ziffer 5 FO 2022 fallen, sofern es sich nicht um Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften“ handle.

Welchem Zweck dies dienen soll, blieb unklar. Von den auf beiden Soldatenfriedhöfen nach offiziellen Angaben insgesamt ruhenden mehr als 5.300 Toten ist ein großer Teil, dem Vernehmen nach rund 40 Prozent, ohnehin unbekannt, so dass Angehörige oder „Bekannte“ für sie bereits nicht feststellbar sind. Für die ausnahmslos vor rund 80 Jahren gestorbenen Toten ist das Anknüpfen an eine „Bekanntschaft“ mit ihnen ohnehin von vornherein grotesk, denn „Bekannte“ dieser Toten dürften heute kaum noch am Leben sein. Sich einen legitimen Grund dafür vorzustellen, weshalb im übrigen die Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den besagten Friedhöfen durch Angehörige und „Bekannte“ der Toten pauschal zulässig sein soll, die von jedem Dritten vorgenommene jedoch pauschal unzulässig, fällt schwer.

 

II. Die „Dienstanweisung für die Friedhofsverwaltung und den/die Friedhofswärter/-in der Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack“

Wie kürzlich bekannt wurde, hat der Kreis Düren unter Landrat Spelthahn die angekündigte Dienstanweisung bereits am 16.03.2023 erlassen. Eine entsprechende Mitteilung gegenüber der Öffentlichkeit sowie eine Veröffentlichung der Anweisung erfolgte – soweit ersichtlich – bislang nicht, die hier veröffentlichte Fassung wurde aufgrund eines Antrags nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zugänglich gemacht.

Der bereits vielsagende Titel der Anweisung lautet „Dienstanweisung für die Friedhofsverwaltung und den/die Friedhofswärter/-in der Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack“, sie bringt das mit der FO 2022 betretene Niveau rechtlichen Unfugs auf eine neue Stufe.

Der Zweck der Dienstanweisung wird einleitend wie folgt beschrieben:

„Im Laufe eines Jahres, jedoch insbesondere zum Volkstrauertag, legen Angehörige oder Bekannte von Bestatteten Zeichen der Trauerbekundung an deren Gräbern ab. Dies sind Kränze, Gestecke, Blumen, Grableuchten, Fotos der Verstorbenen, etc..

Hier besteht Regelungsbedarf zur eindeutigen Handhabung durch die Friedhofsverwaltung und den/die Friedhofswärter/-in.“

 

Nun sollte man eigentlich annehmen, dass eine Friedhofsordnung gerade diesen Regelungsbedarf befriedigt, aber beim Kreis Düren gehen die Uhren anders. Hier wird nicht die fachlich stümperhafte Friedhofsordnung durch eine rechtmäßige Neufassung ersetzt, sondern der regulatorische Wahnsinn weiter gesteigert. So spricht der Kreis Düren im Hinblick auf die FO 2022 eine „Festlegung“ aus:

„a)  Bezüglich der o.g. Handlungen und Aktionen legt der Kreis Düren fest, dass Zeichen der Trauerbekundung von Angehörigen und aus dem Bekanntenkreis der Bestatteten, wie Kränze, Gestecke, Blumen, Grableuchten, Fotos der Verstorbenen, etc. unter die Ausnahmeregelung gemäß § 4 Ziffer 5 der Friedhofsordnung fallen und keiner vorherigen Genehmigung bedürfen.

b) Nicht gestattet sind generell und auch für den o.g. Personenkreis Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften oder Fotos in Wehrmachts- oder SS-Uniform.“

 

Daran schließt sich eine „Arbeitsanweisung für die Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter“ an:

„Trauerbekundungen nach Ziffer 2a) sind gestattet. Friedhofsverwaltung und Friedhofswärter/-in sind angehalten, die niedergelegten Objekte der Trauerbekundungen [sic] nach spätestens vier Wochen zu entfernen.

Weiterhin umgehend entfernt werden rechtsgerichtete Botschaften und Fotos in Wehrmachts- oder SS-Uniform, gemäß Ziffer 2b).“

 

Was „Objekte der Trauerbekundungen“ sein sollen, bleibt unklar. Dass der Kreis Düren nicht einmal die von ihm selbst aufgestellte Terminologie beherrscht, verwundert allerdings nicht weiter.

 

III. Bewertung

Auffällig ist zunächst, dass die in der FO 2022 ausdrücklich bestimmten „Zeichen der Trauerbekundung“ in der Dienstanweisung nun um Fotos der Verstorbenen erweitert wurden und die Ablage bestimmter Fotos auf den besagten Soldatenfriedhöfen nunmehr generell verboten wird, dies in einer nicht veröffentlichten Dienstanweisung. Der vom Kreis Düren unter merkwürdigen Umständen ernannte „Beauftragte für die Betreuung der Kriegsgräberstätten Vossenack und Hürtgen als Orten einer demokratischen Erinnerungskultur“ war bereits vor einiger Zeit mit einem undatierten Pamphlet in Erscheinung getreten, in dem er u. a. mitteilte, von ihm als missliebig angesehene Fotos Gefallener von den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack entfernt zu haben. Neben einer Abbildung der von ihm entfernten Fotos erklärte er dort:

„Man hat mir auch vorgeworfen, dass ich Bilder der Toten hätte entfernen lassen, die Angehörige auf der Kriegsgräberstätte Hürtgen hatten platzieren lassen. Das stimmt. Aber die Empörung darüber ist schlichtweg – wie oben bereits genannt – Ausdruck von Unwissen und/oder rechtsideologischen Übereifers. Denn was für Bilder waren das? (…) Es waren ausschließlich Bilder von Bestatteten in Wehrmachtuniformen. Damit erinnert man nicht nur an die dort Bestatteten, sondern man lässt die Wehrmacht erneut durch eine Anzahl von Bildern hochleben; zumal die aufgenommenen Porträts den Charakter von Propagandafotos der Wehrmacht haben und die abgebildeten Soldaten fröhlich und/oder entschlossen darstellen. Warum stattdessen keine Bilder in ganz normaler Kleidung, die Angehörigen sicher ebenfalls vorliegen? Warum Bilder von Soldaten in Uniform, auf denen in einigen Fällen auch noch das Hakenkreuz sichtbar ist?“

 

„Ideologisch übereifrig“ agieren natürlich stets nur die anderen. Politische Eiferer haben in Deutschland eine lange Tradition. Es ist nicht zuletzt dieses sabbernd-besserwisserische, andere geradezu zwanghaft belehren müssende Wesen, an dem immer wieder aufs Neue und in der vom jeweiligen Staat bevorzugten ideologischen Prägung die Welt genesen soll, das anstatt dessen mit steter Regelmäßigkeit in einer Katastrophe endet.

Gleichwohl wird genau dieser missionarisch anmutende Eifer vom Kreis Düren und seinem CDU-Landrat Spelthahn in der Dienstanweisung legitimiert: Danach sieht man es dort offenbar als Verstoß gegen die Friedhofsordnung und womöglich auch als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit (vgl. § 7 FO 2022) an, am Grab eines gefallenen Soldaten ein Foto abzulegen, das diesen zu Lebzeiten in Uniform, also in derjenigen Kleidung zeigt, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit – und vermutlich nicht selten gezwungenermaßen – auch bei seinem Tod trug. Entsprechend der damaligen Zeit dürfte zudem in vielen Fällen das letzte Bild des Toten ein solches in Uniform gewesen sein. Für den Kreis Düren verfängt dies freilich nicht, er dringt ungerührt in ideologischer Mission in höchstpersönliche Angelegenheiten der Bürgerinnen und Bürger ein und maßt sich an, diesen vorzuschreiben, in welcher Kleidung Abbildungen ihrer gefallenen Angehörigen legitim sind und in welcher nicht. Die Uniform als typische Kleidung eines Soldaten ist es für einen auf einem Soldatenfriedhof beerdigten Soldaten der Dienstanweisung zufolge nicht. Derartig sinnbefreite regulatorische Übergriffe bis in kleinste Details der persönlichen Lebensführung der Bürgerinnen und Bürger kennt man aus totalitären Diktaturen.

Ebenso interessant wie vielsagend über die Protagonisten beim Kreis Düren ist auch der Umstand, dass man das umfassende Verbot der Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den besagten Soldatenfriedhöfen im gerichtlichen Verfahren u. a. noch mit der Behauptung verteidigt hatte, eine Überprüfung jedes einzelnen dort abgelegten Grabschmucks sei „nicht möglich und würde auch mit der Würde des Ortes nicht in Einklang stehen“, weshalb zur Vermeidung von „Grabschmuck mit rechtsextremem Hintergrund“ pauschal Jedermann die Ablage jeglichen Grabschmucks verboten werden müsse. Bekanntlich hat daran weder das VG Aachen noch das OVG NRW Anstoß genommen. Nun verpflichtet der Kreis Düren jedoch die eigene Friedhofsverwaltung und den Friedhofswärter dazu, für jedes einzelne Teil Grabschmuck festzustellen, ob dieses von einem Angehörigen oder Bekannten eines der auf dem Friedhof Bestatteten stammt. Während also eine Überprüfung des einzelnen Grabschmucks angeblich „nicht möglich“ ist, ist die erkennbar viel aufwändigere Feststellung eines Angehörigen- oder gar Bekanntschaftsverhältnisses, wofür in den meisten Fällen nicht einmal eine Ausweiskontrolle ausreichen dürfte, ohne weiteres möglich? Friedhofsverwaltung und Friedhofswärter als Kontrolleure der Angehörigen- und Bekanntschaftsverhältnisses der Friedhofsbesucher mit den Toten? Völlig hanebüchen.

Im übrigen leidet die Dienstanweisung – wie auch die Friedhofsordnung – bereits unter dem grundsätzlichen rechtsstaatlichen Mangel fehlender Bestimmtheit, der jede Norm rechtswidrig macht. So untersagt sie „Trauerbekundungen mit rechtsgerichteten Botschaften“, ohne jedoch zu bezeichnen, was hierunter zu verstehen sein soll. Dies dürfte kaum Zufall sein. Hierüber ganz nach Bedarf frei zu entscheiden, will sich der Kreis Düren vermutlich vorbehalten, wobei man in der Interpretation dessen, was man als „rechtsgerichtet“ ansieht, aller bisherigen Erfahrung nach durchaus großzügig ist.

Bemerkenswert ist zudem, dass die Dienstanweisung nicht alle politischen Botschaften untersagt, was eigentlich schon der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangen würde, sondern nur solche „rechtsgerichteter“ Natur. Sind denn linksgerichtete Botschaften auf den Soldatenfriedhöfen erlaubt, vielleicht sogar erwünscht? Verboten sind sie nach dem Wortlaut der Dienstanweisung jedenfalls nicht. Es sei daran erinnert: Leiter der Dürener Kreisverwaltung ist ein CDU-Politiker.

 

IV. Fazit

Man darf die Umtriebe der Dürener Kreisverwaltung unter Landrat Spelthahn weiterhin gespannt verfolgen. Wie üblich agieren die politischen Protagonisten scheibchenweise und nur soweit, bis sie relevanten Widerstand verspüren. Solange dieser ausbleibt, wird die besagte Dienstanweisung nicht die letzte merkwürdige Regelung gewesen sein, die der Kreis Düren im Hinblick auf die Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack erlässt.

 

(Titelfoto: Kerze am Grab eines unbekannten Soldaten
auf dem Soldatenfriedhof Vossenack, Sommer 2023)

 

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