„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: Das „Tanztheater“ über den Gräbern der Kriegstoten auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack zum Volkstrauertag 2023 (Veröffentlicht am 19.08.2024, letzte Aktualisierung am 30.08.2024)


I.   Die „Gedenkveranstaltung“ zum Volkstrauertag 2022: Das Schauspiel vor dem Schauspiel

Rückschauend betrachtet hatte die Verwaltung des Kreises Düren unter Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), einmal mehr tatkräftig unterstützt durch die Berichterstattung der Aachener Zeitung, bereits im Jahr 2022 den Boden für eine Veranstaltung bereitet, die eines Tages symbolische Bedeutung für die Zustände im Deutschland der 2020er Jahre haben könnte: Das sog. „Tanztheater“, das anlässlich des Volkstrauertages 2023 unmittelbar über den Gräbern der Kriegstoten auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack durchgeführt wurde.

Wie auf diesem Blog berichtet, war die offizielle Gedenkveranstaltung des Kreises Düren zum Volkstrauertag, die bis dahin stets am Volkstrauertag selbst abwechselnd auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack durchgeführt worden war, nach zwei Jahren Pause aufgrund des „Corona“-Virus im Jahr 2022 erstmals auf einen Freitag Nachmittag verschoben worden. Nicht auf irgendeinen Freitag, sondern just auf den 11.11., den üblicherweise von vielen Menschen feucht-fröhlich gefeierten Beginn der neuen Session des rheinischen Karnevals. Zur vorgeblichen Überraschung der Protagonisten erschienen zu dieser Veranstaltung um 16 Uhr im wesentlichen diese selbst. Die sonst am Volkstrauertag übliche verbreitete Anteilnahme vor allem der örtlichen Bevölkerung blieb aus, was angesichts des Termins eigentlich kaum überraschend ist.

Dennoch beklagte die Aachener Zeitung in einem am Folgetag veröffentlichten Artikel unter dem Titel „Volkstrauertag – aber kaum jemand geht hin“ umgehend das angebliche Schwinden der Bedeutung des Volkstrauertags – kurioserweise, noch bevor dieser überhaupt stattgefunden hatte! Während sich sonst der Großteil der Inhalte der Aachener Zeitung hinter einer Bezahlschranke befindet, war dieser Artikel frei zugänglich. Es war also offenbar gewünscht, dass dessen Inhalte weite Verbreitung finden.

Den angeblichen Bedeutungsverlust des Volkstrauertags leitete die Autorin des Beitrags, Sarah Berners, aus der geringen Teilnehmerzahl der Veranstaltung am Vortrag ab, die letztlich maßgeblich auf die ersichtlich ungünstige Terminwahl und damit auf die Organisatoren selbst zurückgehen dürfte. Gleichzeitig forderte sie in einem Kommentar pflichtschuldig „neue Konzepte“, sonst werde „der Volkstrauertag verschwinden“. Machte die Autorin bislang nicht den Eindruck, als sei ihr besonders an dem Gedenken für die Kriegstoten gelegen, verlangte sie nun wortreich „ein neues Konzept für den Volkstrauertag“; „eine neue Form“, in die Schulen, Vereine und Jugendgruppen einzubinden seien.

Eine vielleicht nicht zufällige Steilvorlage für CDU-Landrat Spelthahn, dem man dies nicht zweimal sagen musste. Für das zuvor selbst geschaffene Problem konnte er nun direkt eine seinen Vorstellungen entsprechende Lösung präsentieren: Ein sog. „Tanztheater“ von Schülerinnen und Schülern unmittelbar über den Gräbern der Kriegstoten.

 

II.   Einmal mehr: Die Friedhofsordnung des Kreises Düren

Zunächst mag man sich die vom Kreis Düren erlassene, derzeit geltende „Friedhofsordnung für die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack“ vom 13.09.2022 („FO 2022“) in Erinnerung rufen. Bekanntermaßen verbietet es der Kreis Düren darin Besuchern dieser Soldatenfriedhöfe seit Herbst 2022 grundsätzlich, dort z. B. Blumen oder Kerzen abzulegen, ohne hierfür zuvor eine Ausnahmegenehmigung erhalten zu haben; Zuwiderhandlungen hat man zur Ordnungswidrigkeit erklärt.

Diese Friedhofsordnung bestimmt in § 4 Ziffer 1.:

„Die Kriegsgräberstätten sind Orte der Trauer, des Totengedenkens und der Besinnung. Die Besucherinnen und Besucher der Kriegsgräberstätten haben sich entsprechend der Würde des Ortes zu verhalten.“

 

Nach § 4 Ziffer 4. i) FO 2022 ist es auf den beiden Soldatenfriedhöfen „insbesondere nicht gestattet“,

„zu lärmen, zu spielen und in sonstiger Weise die Totenruhe zu stören (insbesondere Musikdarbietungen und die Benutzung von Tonträgern),“

 

Demnach versteht der Kreis Düren Musikdarbietungen sowie die Benutzung von Tonträgern auf den Soldatenfriedhöfen als Störung der Totenruhe, ebenso wie das Lärmen und Spielen auf den Anlagen. Dies mag man im Hinterkopf behalten.

 

III.   Die Ankündigung eines „Tanztheaters anlässlich des Volkstrauertages“ durch den Kreis Düren

In einer Pressemitteilung vom 08.11.2023 [Archivlink] kündigte der Kreis Düren an, „in Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, aber auch als Zeichen für eine friedliche Zukunft“ finde „am Freitag, 17. November, ab 17.30 Uhr eine neu konzipierte Erinnerungsveranstaltung anlässlich des Volkstrauertages in Vossenack statt.“ So hätten Schülerinnen und Schüler des Franziskus-Gymnasiums Vossenack „unter dem Namen ‚Facing Peace‘“ „ein Programm entwickelt, das einen neuen Impuls zum Gedenken setzen“ werde. „Facing Peace“ solle „dem Frieden ein Gesicht geben“ bedeuten.

Landrat Spelthahn, der in dieser Funktion auch Vorsitzender des Kreisverbandes Düren des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. („Volksbund“) ist, ließ sich durch seine Pressestelle wie folgt zitieren:

„Wir dürfen die Schrecken des Krieges nicht vergessen und die Erinnerung wahren. Leider begegnet uns der Krieg wieder täglich in den Nachrichten. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Frieden bei uns gewahrt wird und ich bin sehr dankbar, dass sich die Jugend das zur Aufgabe gemacht hat.“

 

Wen meint Herr Spelthahn eigentlich, wenn er von „wir“ spricht?

Die besagte Gedenkfeier beginne „mit einer Aufführung der Schülerinnen und Schüler in der Klosterkirche Vossenack“, wo durch das „Musiktheater des Gymnasiums ‚exART‘ unter der Leitung des Lehrers Clemens Amendt in einer Inszenierung der ‚Irrweg des Krieges‘ thematisiert“ werde. Daran an schließe sich ein rund 300 Meter langer Fußweg zum Soldatenfriedhof durch „das Labyrinth des Friedens“. Dieses bestehe aus „zahlreichen Lichtern, ebenfalls durch das Gymnasium aufgestellt“, und beleuchte „den Weg zum Friedenpodest“ in der Mitte des Friedhofs. Dort würden „die Kränze niedergelegt und Gedenkworte gesprochen“.

Das Franziskus-Gymnasium führe „die Inszenierung für den Frieden“ auch am Samstag, den 18.11.2023 zur gleichen Zeit auf.

Der Termin der wie im Vorjahr zwei Tage vor dem Volkstrauertag am 19.11.2023 durchgeführten Veranstaltung erkläre sich wiederum damit, dass der Kreis Düren Terminüberschneidungen mit den Gedenkveranstaltungen der Ortsvereine vermeiden wolle.

 

IV.   Das Franziskus-Gymnasiums Vossenack und dessen Musiktheater „exART“

Der Schülerinnen und Schüler des Franziskus-Gymnasiums in Vossenack bedient sich der Kreis Düren unter Landrat Spelthahn immer wieder gern, wenn es darum geht, unter dem Deckmantel der „Einbindung der Jugend“ sowie der „Modernisierung“ das überkommene Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und seine Opfer den einen Vorstellungen gemäß zu verändern, in denen beispielsweise die tradierten, religiös motivierten Bräuche des Totengedenkens – z. B. die Ablage von Blumen oder Kerzen – offenbar keine Rolle mehr spielen.

Praktischerweise befindet sich das im Jahr 1967 fertiggestellte Franziskus-Gymnasium unmittelbar neben dem im August 1952 eingeweihten Soldatenfriedhof in Vossenack auf der im Zweiten Weltkrieg schwer umkämpften sog. Höhe 470. Eigenen Angaben zufolge handelt es sich um eine „staatlich anerkannte katholische Privatschule in der Trägerschaft der gemeinnützigen Schulgesellschaft Franziskus-Gymnasium mbH“ („Träger-GmbH“), nach Angaben des Schulträgers, der Franziskus-Stiftung, hat das Gymnasium aktuell rund 600 Schülerinnen und Schüler.

 

 

Schulleiter des Gymnasiums ist derzeit Dirk Sieven, alleiniger Geschäftsführer der „Gemeinnützigen Schulgesellschaft Franziskus-Gymnasium mbH“ ist seit 01.04.2023 Alexander Fischer.

Gegenstand der Träger-GmbH ist ihrem Eintrag im Handelsregister (AG Düren, HRB 2892) zufolge „Die Förderung des Schulwesens und die Erziehung von Jugendlichen zu christlicher Lebensgestaltung und Weltverantwortung auf der Grundlage des katholischen Glaubens“.

Auf der Website der Franziskaner findet sich ein „Kurzprofil“ [Archivlink] zum Franziskus-Gymnasium, in dem es heißt:

„Im Zentrum von Unterricht und Erziehung steht der junge Mensch. (…)

Unserer Aufgabe ist es, ihn dabei zu fördern, das Bild, das Gott in ihn hineingelegt hat, selbst zu entdecken und zu entfalten. Neben einem profunden Wissen soll der junge Mensch lernen, sich in einer geschwisterlichen Atmosphäre gegenüber jedermann, insbesondere gegenüber den Schwachen und Entrechteten unserer Welt eine engagierte Solidarität zu üben.

Er soll lernen, für den, der in Gesellschaft und Politik keine Stimme mehr hat, stellvertretend diese Stimme zu sein. Er soll des Weiteren lernen, in seinem eigenen Leben an Jesus orientierte Akzente zu setzen und ähnlich wie Franz von Assisi die Schöpfung zu lieben.“

 

Zum eigenen Leitbild teilt die Schule – unter Verweis auf die Ideale des Namensstifters Franziskus von Assisi – mit, Wert darauf zu legen, „einander mit Respekt und Offenheit zu begegnen“, wozu es zunächst gehöre, „den Menschen in seiner ihm durch Gott gegebenen Würde zu sehen“.

Das besagte Musiktheater „exART“ des Franziskus-Gymnasiums, organisiert als eingetragener Verein, sagt von sich selbst [Archivlink], es inszeniere „Musicals, Theaterstücke und aktuell eine Rockoper mit nahezu professionellem Anspruch“. Einst „aus einem Schulprojekt entstanden“, würden „alle musikalischen Produktionen in Eigenregie entworfen, ausgearbeitet und selbst inszeniert“, dies „unter der Leitung des Autors und Regisseurs Clemens Amendt“. Das „Tanztheater“ wird auf der “exART”-Website nebst Veranstaltungsbanner näher beschrieben [Archivlink]. Dort kann man lesen (alle Rechtschreib- und Grammatikfehler sowie Auslassungen im Original):

„Facing Peace – eine Inszenierung für den Frieden!

Kunst hat den Auftrag uns zu unterhalten, aber Kunst aller Art kann noch viel mehr. Kunst hat die Fähigkeiten bei uns ‚Räume‘ aufzuschließen, die im Alltag oft als nicht sichtbar oder unerreichbar erscheinen. Facing Peace möchte den Besucher auf eine ganz besondere Reise mitnehmen – eine Reise, die nichts verschweigen will, die sich der aktuellen Thematik nach Krieg und Frieden kritisch stellt, aber gleichzeitig soll die Stimme des Friedens auf besondere Art und Weise spürbar werden …. durch Tanz, Musik, Gesang, Theater, Lichtinstallation usw. an zwei Orten, die für eine solch außergewöhnliche Inszenierung prädestiniert sind:

40 Schauspieler, Sänger, Tänzer im Alter von 14 – 75 Jahren inszenieren in der Klosterkirche Vossenack zum einen die Frage nach dem Irrweg des Kriegswahns. Im Mittelpunkt stehen neben Mutter Natur (‚Gaia‘), ein Kriegsfürst mit seinen Untertanen sowie der Tod. Ein dramatisches Schauspiel, wo der Kriegsfürst am Schluss in seinem eigenen Hass ertrinkt, wo das unfassbare Leid aber nicht in einem Inferno endet, sondern

Fortgesetzt wird die Inszenierung auf der benachbarten illuminieren Kriegsgräberstätte. In einem Tanztheater steht ‚Gaia‘ zusammen mit einem jungen Paar im Mittelpunkt des Geschehens. Das junge Paar sucht hier den Weg durch das Labyrinth des Friedens, nicht alleine, sondern inspiriert durch Musik…“

 

Weiteren Aufschluss über das Projekt „Facing Peace“ verschafft der „exART“-Youtube-Kanal mit den dort abrufbaren Videostatements mehrerer Protagonisten. Dem besagten Veranstaltungsbanner ist zu entnehmen, dass die Veranstaltung durch den Kreis Düren, das Franziskus-Gymnasium Vossenack, die Franziskus-Stiftung des Jugendwerks der Franziskaner, die Gemeinde Hürtgenwald, den Gewerbeverein Simmerath sowie EifelDrei.tv unterstützt worden sei.

 

V.   Das „Tanztheater“ auf dem Soldatenfriedhof Vossenack am Abend des 17.11.2023

Interessanterweise haben alle Ankündigungen den tatsächlichen Inhalt des sog. „Tanztheaters“ auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack nur unvollständig und verharmlosend beschrieben.

Was man vorab blumig als aus „zahlreichen Lichtern“ gebildetes „Labyrinth des Friedens“ und „Podest des Friedens“ in der Mitte des Friedhofs beschrieben hatte, war eine vielfarbige Be- und Ausleuchtung des Gräberfeldes, die Beschallung der Gräberfläche mit lauter Musik sowie das Singen und Tanzen auf mehreren, direkt über den Gräbern errichteten Bühnen, zu denen man mehrere hundert Zuschauer unkontrolliert über das Gräberfeld strömen ließ.

Ein Youtube-Kanal namens „Patriots on Tour“ („PoT“) hat den zweiten Teil der Veranstaltung, umfassend den Weg von der auf dem Gelände des Franziskus-Gymnasiums befindlichen Klosterkirche auf das Gräberfeld des benachbarten Soldatenfriedhofs und die dortigen Abläufe, aufgezeichnet und diese Aufzeichnung in zwei Teilen veröffentlicht. Teil 1 umfasst die Zeit von 18:28 bis 19:12 Uhr, Teil 2 beginnt um 19:15 Uhr und endet um 19:48 Uhr. Man sollte sich diese Aufzeichnungen ansehen, um einen vollständigen Eindruck des buchstäblichen Theaters zu erhalten. Der Orientierung dient auch eine anhand dieser Aufzeichnungen erstellte schematische Darstellung der Situation und Abläufe auf dem Gräberfeld:

 

 

Zu Beginn von Teil 1 der Aufzeichnung sieht man Menschen im Halbdunkel vom Gelände des Franziskus-Gymnasiums auf den benachbarten Soldatenfriedhof strömen. Das Gräberfeld, auf dem nach Angaben des Volksbundes derzeit 2.334 Tote bestattet sind, unter ihnen Zivilisten mit Kindern, zahlreiche verunglückte Minensucher und mutmaßlich auch Zwangsarbeiter, ist ausgeleuchtet und wird mit lauter Musik beschallt. Der Strom der Zuschauer bewegt sich zunächst über den Plattenweg zum Gräberfeld (vgl. Teil 1, bis ca. 18:40:30 Uhr). Fünf Bundeswehr-Soldaten in Ausgehuniform und einige Polizisten haben sich neben dem Hochkreuz postiert (Teil 1, ab 18:40:10 Uhr). Auf der Mauer unmittelbar an den Zugängen zum Gräberfeld hat man die drei Hauptprotagonisten des „Tanztheaters“ aufgestellt, „Gaia“ und „das Friedenspaar“ (Teil 1, ab ca. 18:39:54 Uhr).

Hinter dem Zugang bewegt sich der Zuschauerstrom im Halbdunkel frei und ungeleitet über das Gräberfeld. Man schwärmt aus, jeder sucht sich nach freiem Belieben einen ihm genehmen Platz. Nicht wenige stellen sich auf die Betoneinfassung der Grabsteine und damit unmittelbar auf die Grabstätte des dort beerdigten Kriegstoten (vgl. Teil 1, ab ca. 18:40:30 Uhr).

Das Gräberfeld wird durch verschiedene, an dessen Rand platzierte Scheinwerfer zunächst mit weißem Licht beleuchtet, weitere Beleuchtung richtet sich auf die herbstlich gefärbten Bäume am Rand des Gräberfeldes. Die Beleuchtung wird später farblich variiert, offenbar in Anlehnung an die Farben des Regenbogens. Auf dem Gräberfeld selbst haben die Veranstalter weiß leuchtende LED-Bänder verlegt, denen später die Protagonisten folgen werden. Direkt über den Gräbern wurden insgesamt fünf Bühnen, ausgestattet jeweils mit Scheinwerfern und Lautsprechermast, sowie zwei Podeste errichtet, von denen aus das Schauspiel aufgezeichnet wird. Von der mittleren, größten, Bühne aus dirigiert Lehrer Amendt die Veranstaltung und ihre Zuschauer mithilfe eines Mikrofons (Teil 1, ab ca. 18:43:30 Uhr).

 

 

Die Aufführung beginnt mit dem Einzug von „Gaia und dem Friedenspaar“, die sich entlang der LED-Bänder über das Gräberfeld von Bühne zu Bühne bewegen. Jede Bühne wird einfarbig beleuchtet, auf ihr befinden sich einheitlich in dieser Farbe gekleidete Jugendliche, mit denen sich das „Friedenspaar“ gemeinsam zu lauter Musik zuckend bewegt (Teil 1, ab ca. 18:46:30 Uhr). Zum Abschluss begeben sich alle Teilnehmer von ihren farblich vereinheitlichten Bühnen auf die zentrale Bühne, wo sie eine – offenbar wiederum in Anlehnung an einen Regenbogen – vielfarbige Gruppe bilden, die dort gemeinsam zu lauter Musik herumhüpft, bevor abschließend gesungen wird (Teil 1, ab ca. 19:07:00 Uhr).

Um 19:20 Uhr ist der Spuk vorbei.

Lehrer Amendt teilt den Anwesenden mit „Sie dürfen applaudieren“, woraufhin über den Gräbern der mehr als 2.300 Kriegstoten Klatschen und Pfeifen einsetzt, das für rund 30 Sekunden anhält (Teil 2, ab ca. 19:20:00 Uhr). Anschließend wird in einer Schale inmitten des Gräberfeldes ein Feuer entzündet, dem die Besucher auf den einzelnen Bühnen bereitgelegte Holzscheite hinzufügen dürfen (Teil 2, ab ca. 19:20:45 Uhr).

Die Veranstaltung wurde am nächsten Tag um die gleiche Zeit wiederholt.

Noch am Sonntag, dem eigentlichen Volkstrauertag, befinden sich die Bühnen auf dem Gräberfeld und hindern den Zugang zu den darunter befindlichen Grabstätten. Angehörige der dort Bestatteten kommen nicht an deren Grabstätte heran.

 

 

 

VI.   Pressemitteilung des Kreises Düren noch am 17.11.2023

Noch am Abend des 17.11.2023 veröffentlichte der Kreis Düren eine Pressemitteilung [Archivlink] zu der Veranstaltung. Unter der Überschrift „Ein klares Zeichen für den Frieden“ ließ Landrat Spelthahn seine Pressestelle mitteilen:

„Die Schülerinnen und Schüler des Franziskus- Gymnasiums Vossenack haben bei der Gedenkfeier ein imposantes und zum Nachdenken anregendes Programm entwickelt. Die Inszenierung fand in der komplett gefüllten Klosterkirche Vossenack und auf der benachbarten sowie illuminierten Kriegsgräberstätte statt. ‚Faceing Peace‘ [sic!] (dem Frieden ein Gesicht geben) sollte zum Ausdruck bringen, dass Frieden nicht selbstverständlich und kein Geschenk ist. Die Vorstellung des ‚exART‘ Musiktheaters des Gymnasiums, unter der Leitung des Lehrers und Organisators Clemens Amendt, bot den Zuschauerinnen und Zuschauern eindrucksvolle Einblicke in die aktuelle Thematik von Krieg und Frieden.“

 

CDU-Landrat Spelthahn, „von der Darbietung ergriffen“, äußerte sich in der eigenen Pressemitteilung wie folgt:

„Auf diesem Boden, wo so viele Menschen gestorben sind, wurde das Franziskus-Gymnasiums Vossenack gebaut. Die heutige Inszenierung dieser jungen Menschen war ein klares Signal, sich mit dem Wert von Frieden auseinander zu setzen. Der Irrsinn von Krieg und Gewalt wurden [sic!] mehr als deutlich. Wir müssen gemeinsam für den Frieden eintreten und dürfen dabei niemals die Hoffnung verlieren. Möge dieses Zeichen des Friedens all die Menschen in Not erreichen.“

 

Erneut: Wen meint Herr Spelthahn eigentlich, wenn er von „wir“ spricht?

 

VII.   Die Berichterstattung der Aachener Zeitung

Natürlich ließ auch das obligatorische Loblied der Aachener Zeitung nicht lange auf sich warten. Sie titelte sie in ihrer Samstagausgabe [Archivlink] vom 18.11.2023 „Modernisierung des Volkstrauertags – Jugendliche tanzen über den Gräbern getöteter Soldaten für den Frieden“. Auch dieser Artikel ist frei zugänglich, wiederum untrügliches Zeichen dafür, dass man eine weite Verbreitung wünscht. Der einmal mehr von Frau Berners verfasste Beitrag überschreibt die Veranstaltung als „aufwändiges und imposantes Tanztheater“, mit dem „junge Menschen dem Volkstrauertag ein neues Gesicht“ gegeben und „auf ihre Weise zum Frieden“ gemahnt hätten.

Zu Beginn des Artikels wird zunächst erneut die angebliche bisherige Tristesse des Volkstrauertages bemüht, wenn die Autorin vermeintlich kundig behauptet:

„Zu den Gedenkfeiern am Volkstrauertag kommen nur wenige Menschen – und seit Jahren immer dieselben. Der Ablauf folgt der Tradition, im nächsten Jahr sieht man sich wieder.“

 

Das ganze Gegenteil hiervon sei die Veranstaltung am Vorabend gewesen:

„Am Freitagabend hat das exArt-Musiktheater des Franziskus-Gymnasiums einen ganz neuen Weg des Gedenkens beschritten und mit einem aufwändigen und bewegenden Tanztheater gezeigt, wie moderne Erinnerungskultur aussehen kann.“

 

Sie ergänzte:

„Über eine ausgerollte Friedensfahne zogen die drei [„Mutter Gaia und das Friedenspaar“] mit ihrem kleinen Licht hinaus aus der Kirche – gefolgt von einigen Hundert Zuschauern, von Schülern, Eltern, Geschwistern. Der Weg führte sie alle zur Kriegsgräberstätte, nicht nur an ihren Rand, sondern mitten hinauf. Dorthin, wo Menschen begraben wurden, die in einem sinnlosen Vernichtungskrieg starben.

(…)

Das rund 40-köpfige Ensemble tanzt bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt über den Gräbern, ohne dem Ort seine Würde zu nehmen. Im Gegenteil. Die jungen Menschen tanzen für Frieden, Freiheit und Hoffnung und machen den Ort zum Ausgangspunkt für ihre Botschaft. In den Augen der Zuschauer konnte man sehen, dass sie ankommt.“

Natürlich vergisst die Aachener Zeitung nicht, Landrat Spelthahn und der weiteren anwesenden politischen Provinzprominenz zu huldigen. Die melancholische Hommage der Autorin Berners an deren Adresse:

„Der Kreis Düren und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge waren bereit zu diesem deutlichen Einschnitt und bereit, sich dem Spagat zwischen Tradition und Zukunft zu stellen: Während die Zuschauer, für die Schülerinnen und Schüler war die Teilnahme Pflichtprogramm, von der Kirche auf die in Licht getauchte Kriegsgräberstätte gingen, haben Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), VDK-Vorsitzender Peter Kaptain und Hürtgenwalds Bürgermeister Stephan Cranen (FDP) dort traditionell vor dem Kreuz, den Kränzen und den Augen aller still der Kriegstoten gedacht. Sie haben ihre beleuchteten Handydisplays von dort aus für das Drohnen-Foto vom ‚Friedenslicht‘ mit in die Höhe gehalten – haben das Tanztheater aber vom Rande des Friedhofes verfolgt, um den Bogen zwischen Tradition und Zukunft zu schlagen. Der Wandel der Gedenkkultur kann eine Gratwanderung sein. Skeptische Stimmen gab es am Freitagabend aber nur vereinzelt.“

 

Bedeutend ist ein in dem Artikel nur beiläufig erwähnter Umstand, der zeigt, wie offenbar gezielt für die gewünschte Veranstaltungskulisse gesorgt wurde:

„Für die Schülerinnen und Schüler war die Teilnahme Pflichtprogramm.“

 

VIII.   Fragen und Antworten zu der „Gedenkveranstaltung“ an den Kreis Düren

Ich bat den Kreis Düren nachfolgend aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes NRW („IFG NRW“) zu einigen Umständen der „Gedenkveranstaltung“ um Auskunft.

 

1.   Veranstalter und Genehmigung

Zunächst wollte ich wissen, wer Veranstalter war, wann die Genehmigung für die Veranstaltung erteilt wurde und durch wen.

Der Kreis Düren teilte mit, es habe sich um eine „gemeinsame Veranstaltung des Kreisverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und des Kreises Düren“ gehandelt. Deren Veranstaltungen bedürften „gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofsordnung“ keiner Genehmigung.

Während der Kreis Düren unter Landrat Spelthahn also Besucher der Soldatenfriedhöfe gängelt und sie für das Ablegen von Blumen oder einer Grabkerze ohne Ausnahmegenehmigung mit Strafe bedroht, nimmt er für sich das Recht in Anspruch, die Totenruhe der auf der Anlage in Vossenack bestatteten mehr als 2.300 Kriegstoten sprichwörtlich mit Füßen zu treten bzw. treten zu lassen.

 

2.   Installation der Bühnen und Veranstaltungstechnik, Kosten für den Steuerzahler

Weiterhin bat ich aufgrund des IFG NRW um Auskunft, wer die Bühnen und Podeste auf dem Vossenacker Soldatenfriedhof errichtet hat und welche Kosten dem Kreis Düren, letztlich also dem Steuerzahler, dafür entstanden sind.

Der Kreis Düren ließ wissen, die Bühnen und Veranstaltungstechnik seien durch ein Unternehmen aus Langerwehe installiert worden. Hierfür seien Kosten von EUR 5.000,00 zzgl. Mehrwertsteuer entstanden, insgesamt also EUR 5.950,00. Es dürfte sich dabei nur um einen Teil der vom Steuerzahler zu tragenden Kosten der „Gedenkveranstaltung“ handeln.

 

3.   Anfertigung professioneller Filmaufnahmen

Die Mitteilung des Kreises Düren, die „Gedenkveranstaltung“ habe er gemeinsam mit dem Kreisverband Düren des Volksbundes veranstaltet, legte die Frage nahe, inwieweit der Volksbund involviert war. Ich wollte daher aufgrund des IFG NRW vom Kreis Düren wissen, ob der Landesverband NRW des Volksbundes vorab über die „Gedenkveranstaltung“ am 17.11.2023, den Veranstaltungsort und den Veranstaltungsinhalt informiert war. Zudem ist auf den Videoaufzeichnungen der Veranstaltung wiederholt zu sehen, wie Protagonisten des Musiktheaters durch Kamera- und Tonleute begleitet werden, die offenbar professionelle Film- und Tonaufnahmen anfertigen (vgl. z. B. Teil 1, ca. 18:47:22 oder 18:51:40 Uhr). Es scheint mindestens zwei solcher Filmteams gegeben zu haben (vgl. Teil 2, ca. 19:19:59 Uhr). Ich wollte daher vom Kreis Düren wissen, in wessen Auftrag diese Aufnahmen erstellt wurden.

Der Bescheid des Kreises Düren ließ einmal mehr tief blicken. So sei der Landesverband NRW des Volksbundes über Zeit und Ort der Veranstaltung informiert gewesen. Ob er auch den Inhalt der Veranstaltung gekannt habe, könne „nicht mehr nachvollzogen werden, da diesbezüglich keine schriftlichen Aufzeichnungen gefertigt wurden“. Schon frühere Anfragen nach dem IFG NRW hatte der Kreis Düren ähnlich beantwortet. Obwohl rechtlich zur umfassenden Führung schriftlicher Akten verpflichtet, sieht man hiervon in potentiell problematischen Fällen offenbar entweder ab oder behauptet dies jedenfalls, um so eine Offenlegung potentiell missliebiger Informationen umgehen zu können. Dass eine solche Form der öffentlichen Verwaltung grundsätzlichen rechtsstaatlichen Maßstäben widerspricht, bedarf keiner Erwähnung.

Zur Frage der Film- und Tonaufnahmen teilte der Kreis Düren mit, nicht zu wissen, wer diese beauftragt hat. Er habe sie weder erstellt noch erstellen lassen.

 

IX.   Bewertung

Artikel 1 des Grundgesetzes, die sog. Menschenwürdegarantie, lautet:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirkt diese absolut zu gewährleiste Würde über den Tod hinaus fort und schützt den aus der Menschenwürdegarantie resultierenden Achtungsanspruch des verstorbenen Menschen (vgl. z. B. BVerfGE, 30, 173 (194) – Mephisto; BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II), insbesondere vor Schmähung, Missachtung oder Verspottung.

Diesem Achtungsanspruch wird das „Tanztheater“ über den Gräbern der Kriegstoten auf dem Soldatenfriedhof Vossenack schwerlich gerecht.

Zunächst sollte man sich vor Vorwürfen an die an der Veranstaltung mitwirkenden Jugendlichen hüten. Zu allen Zeiten haben politische Akteure ideologisch korrumpierte Bevölkerungsgruppen für ihre Zwecke missbraucht, nicht zuletzt in Deutschland. Dass Landrat Spelthahn vor diesem Hintergrund in seiner Pressemitteilung vom 08.11.2023 [Archivlink] verkündete, „die Jugend“ habe sich die Wahrung des Friedens „zur Aufgabe gemacht“, spricht für sich. Gerade mit Blick auf die jüngere deutsche Geschichte sollte man stets hellhörig werden, wenn ein Politiker wieder einmal propagiert, was sich andere angeblich „zur Aufgabe gemacht“ haben; dies vor allem dann, wenn es sich um Kinder oder Jugendliche handelt, die besonders leicht für politische Zwecke zu instrumentalisieren sind.

Wie verträgt sich eine Veranstaltung wie das besagte „Tanztheater“ eigentlich mit den Werten des Franziskus-Gymnasiums Vossenack als katholischer Privatschule, deren Trägergesellschaft sich nach eigenen Angaben – siehe oben – doch der „Erziehung von Jugendlichen zu christlicher Lebensgestaltung und Weltverantwortung auf der Grundlage des katholischen Glaubens“ verschrieben hat? Wie mit dem Leitbild der Schule, „einander mit Respekt und Offenheit zu begegnen“ und „den Menschen in seiner ihm durch Gott gegebenen Würde zu sehen“? Gelten dieser Respekt und diese Würde denn für Kriegsopfer nicht? Ist das Herumtollen über den Gräbern von Kriegstoten „eine engagierte Solidarität“ „gegenüber den Schwachen und Entrechteten unserer Welt“, wie sie das Franziskus-Gymnasium den ihm anvertrauten jungen Menschen zu vermitteln vorgibt? Bereits der Umstand, dass die aktuell rund 600 Schülerinnen und Schüler den Angaben der Aachener Zeitung zufolge zur Teilnahme an der Veranstaltung verpflichtet waren, spricht eine deutliche Sprache. Bereits mit dieser Teilnahmeverpflichtung lässt sich eine ansprechende Zuschauerzahl erzwingen, die praktischerweise noch dazu jugendlichen Alters ist und es so erlaubt, der Öffentlichkeit ein vermeintlich „großes Interesse der Jugend“ zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund ist die Zahl der wohl 200 bis 300 Zuschauer, darunter etliche ältere Personen, vermutlich Angehörige der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer, die sich letztlich auf die Gräberfläche des Soldatenfriedhofs begeben haben, fast als gering anzusehen. Es zeigt aber einmal mehr, mit welchen Methoden die Akteure bei der Implementierung ihrer sog. „modernen Gedenkkultur“ arbeiten.

Interessant zu beobachten ist, mit welchem Aufwand und erheblichen zeitlichen Vorlauf offenbar der Weg zu dem „Tanztheater“ auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack gezielt geebnet und entsprechend weiträumig auf die Bevölkerung eingewirkt wurde. Man mag sich an die von der Aachener Zeitung im Jahr 2022 verbreitete These des angeblich drohenden „Verschwindens“ des Volkstrauertags erinnern, dem angeblich nur durch „ein neues Konzept für den Volkstrauertag“; „eine neue Form“, in die insbesondere Schulen und Jugendgruppen einzubinden seien, begegnet werden könne. In der Nachbetrachtung klingt dies wie eine Steilvorlage für CDU-Politiker Spelthahn. Als Landrat und Vorsitzender des Kreisverbandes des Volksbundes an maßgeblicher Stelle agierend, hat er sich diese Chance nicht entgehen lassen.

Im Jahr 2022 die Vorverlegung der öffentlichen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag auf den 11.11. und damit auf den Beginn der rheinischen Karnevalssession, im Folgejahr das abendliche „Tanztheater“ argloser Jugendlicher über den Gräbern von mehr als 2.300 Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft, nachdem deren Totenruhe zuvor durch das Hinwegtrampeln hunderter Zuschauer über ihre Gräber, durch grelle Beleuchtung und Beschallung mit lauter Musik gestört wurde, während Landrat Spelthahn und die beiden anderen anwesenden Lokalpolitiker sich betont am Rand der eigenen Veranstaltung hielten. Wenn man sich ergänzend deren Verbot der Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack in Erinnerung ruft, könnte man fast meinen, dass die politischen Protagonisten im Kreis Düren, allen voran CDU-Landrat Spelthahn, im Hinblick auf die in Hürtgen und Vossenack bestatteten Kriegstoten einem merkwürdigen Fetisch huldigen, dessen Inhalt es ist, die Ruhe dieser Toten und das Gedenken an sie nach Kräften zu stören und deren Schicksal und dasjenige ihrer Angehörigen zu verhöhnen.

Natürlich bemühte man sich sofort um die Feststellung, dass das „aufwändige und imposante Tanztheater“ „ein klares Zeichen für den Frieden“ und nunmehr der moderne und zukunftsweisende Weg des Gedenkens am Volkstrauertag sei, habe es doch „gezeigt, wie moderne Erinnerungskultur aussehen kann“. Der Hinweis im Bericht der Aachener Zeitung, skeptische Stimmen habe „es am Freitagabend aber nur vereinzelt“ gegeben, soll zudem wohl den Eindruck vermitteln, fast alle Zuschauer hätten die Veranstaltung positiv gesehen – was wiederum darauf abzielen dürfte, in der breiten Bevölkerung Akzeptanz für zukünftige derartige Veranstaltungen zu schaffen. Natürlich begaben sich in der abendlichen Dunkelheit des 17.11.2023 bei feuchtem Wetter und knapp über null Grad – ungeachtet der angeblichen Teilnahmeverpflichtung der Schüler – überhaupt nur diejenigen auf das Gräberfeld, die dies nicht vermeiden konnten oder wollten. Dass es offenbar „vereinzelt“ dennoch Kritik gab, ist angesichts dessen schon bemerkenswert.

Für sich spricht auch, dass der konkrete Inhalt des Veranstaltungsteils auf dem Gräberfeld des Vossenacker Soldatenfriedhofs in allen vorherigen Ankündigungen verschwiegen wurde. Fürchtete man bei einer vorzeitigen Offenlegung des tatsächlich Beabsichtigten Kritik oder gar aktiven Gegenwind, z. B. in Form gerichtlicher Maßnahmen?

Zudem sei die Frage erlaubt, wie das u.a. vom Kreis Düren veranstaltete „Tanztheater“ eigentlich mit der eigenen Friedhofsordnung in Einklang zu bringen ist. Kann ein solches „Tanztheater“ jemals der Würde des Ortes entsprechen, die doch nach § 4 Ziffer 1. FO 2022 Grundregel für jeden Friedhofsbesucher ist? Die platte Feststellung der Aachener Zeitung [Archivlink], die Veranstaltung sei erfolgt, „ohne dem Ort seine Würde zu nehmen“, genügt hierfür zweifelohne nicht. Wie kann eine solche Veranstaltung überhaupt auf dem Friedhof durchgeführt werden, wenn doch der Kreis Düren selbst in § 4 Ziffer 4. i) FO 2022 u.a. das Lärmen auf der Anlage, „insbesondere Musikdarbietungen und die Benutzung von Tonträgern“, ausdrücklich als Störung der Totenruhe qualifiziert? Dass es sich bei besagtem „Tanztheater“ um eine Musikdarbietung unter Benutzung von Tonträgern handelt, wird sich kaum bestreiten lassen. Wie kann es also sein, dass der Kreis Düren Besuchern des Soldatenfriedhofs Vossenack durch die Friedhofsordnung die dortige Ablage einer Blume oder Kerze ohne Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung untersagt, während er selbst unter offensichtlichster Verletzung just der eigenen Friedhofsordnung massiv die Totenruhe der auf der Anlage beerdigten Kriegsopfer stört? Das hieraus sprechende spätrömische Herrschaftsprinzip des „Quod licet iovi, non licet bovi“ („Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“) wurde auf diesem Blog in anderem Zusammenhang bereits beschrieben.

Bei nüchterner Betrachtung handelt es sich bei dem besagten „Tanztheater“ um eine politisch gewollte, offenbar langwierig geplante Veranstaltung, in deren Rahmen gutgläubige Jugendliche durch politische Akteure unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur dazu instrumentalisiert wurden, über den Gräbern von Menschen herumzuhampeln, die durch Kriegseinwirkung und damit aus politischen Gründen ums Leben gekommen – vielfach sind sie elendig verreckt, zerfetzt oder in Stücke gerissen worden. Nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten – Frauen, Kinder, Alte, mutmaßlich Zwangsarbeiter. Deren Schicksal lassen die politischen Protagonisten sprichwörtlich mit Füßen treten, illuminiert durch die Farben des Regenbogens – eine geradezu ritualhaft inszenierte, ekelhafte Verhöhnung der Kriegsopfer und ihrer Angehörigen. Das besagte „Tanztheater“ ist die übelriechende Duftnote einer unheiligen Allianz verschiedener Akteure um die lokalpolitischen Protagonisten der seit nunmehr 25 Jahren (!) andauernden Ära Spelthahn, denen jeder ethisch-moralische Kompass abhandengekommen zu sein scheint. Um die Worte der Überschrift der Pressemitteilung [Archivlink] des Kreises Düren zu verwenden, ist das „Tanztheater“ in der Tat ein „klares Zeichen“. Nicht für den Frieden, sondern für eine Degeneration ethisch-moralischer Grundmaßstäbe erschreckenden Ausmaßes, die womöglich in einigen Jahren – ev. auch unter den beteiligten Jugendlichen selbst – für ungläubiges Kopfschütteln und einmal mehr für die Frage sorgen wird, wie „so etwas“ denn möglich gewesen sei.

Das „Tanztheater“ über den Gräbern der Kriegstoten auf dem Soldatenfriedhof Vossenack ist auch eine offene Herausforderung des tradierten Totengedenkens religiöser Prägung und derjenigen, die es weiter praktizieren und bewahren wollen. Dass dies unter Beteiligung eines kirchlichen Akteurs wie der Franziskus-Stiftung und unter der Führung eines Landrats erfolgt, der einer Partei namens „Christlich-Demokratische Union“ angehört, sagt über diese schon alles aus.

Aber Hochmut kam schon immer vor dem Fall, auch hier dürfte dieser nur eine Frage der Zeit sein.

 

(Titelfoto: Soldatenfriedhof Vossenack am Abend des 17.11.2023 ,
Quelle: „PoT„)

 

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